Radiokolleg - Phänomen Geheimnis

Verschweigen, verbergen und verstecken (4). Gestaltung: Sabine Nikolay

Alle Menschen haben Geheimnisse. Sie können schrecklich oder schön sein, auf jeden Fall aber sind sie wichtig, sonst würden sie nicht dem Wissen der Allgemeinheit entzogen. Geheimnisse ziehen jedoch eine Reihe von unangenehmen Verhaltensweisen und Gefühlen nach sich: Verdrängen, Vertuschen, Täuschen, Lügen und Verstecken, Gewissensbisse und Schuldgefühle. Wer Geheimnisse hat, ist alles andere als glücklich und läuft Gefahr, den Kontakt zur Wirklichkeit zu verlieren und Beziehungen zu ihm nahestehenden Menschen zu zerstören.

In früheren Zeiten schaffte die Kirche den Ausweg für den "armen Sünder": Beichte und Beichtgeheimnis schützen die Privatsphäre und dienen dem Gewissen. Denn dass es Geheimnisse geben muss, weiß nach diesem Verständnis sogar Gott. Gesellschaftliche Normen und Tabus zwingen uns zur Heimlichtuerei ebenso wie individuelles Schamgefühl. Doch auch das größere Ganze - die Staatsräson - spielt hier eine Rolle: "Top Secret", "Confidential" - wer kennt nicht die Warnungen auf amerikanischen Geheimdienstpapieren?

An der Seriosität von Staatsgeheimnissen darf jedoch gezweifelt werden. Man muss den Mächtigen auf die Finger schauen, meinte zum Beispiel Julian Assange, der nun, von der amerikanischen Justiz gejagt, um seine Freiheit fürchten muss. Der Grund für diese Ängste: Die Enthüllungsplattform "WikiLeaks", auf der Assange geheime Unterlagen im Internet veröffentlichte.

Dass die auf WikiLeaks veröffentlichten Geheimpapiere innerhalb weniger Stunden weltweit bekannt waren, sollte jedem Menschen zu denken geben: Das Internet ist einer jener Orte, an denen man Geheimnisse nicht preisgeben sollte. Denn das Netz vergisst nichts, Daten bleiben unendlich lang gespeichert. E-Mail, Handytelefonie und Facebook sind alles andere als sichere Kommunikationsmöglichkeiten. Den Zugriff auf diesen Datenaustausch sichert sich mit der Vorratsdatenspeicherung nun auch der Staat, und bald könnte gelten: nichts bleibt geheim.

Service

Marcel Rosenbach, Holger Stark, Staatsfeind WikiLeaks. Wie eine Gruppe von Netzaktivisten die mächtigsten Nationen der Welt herausforderte, DVA, 2011
WikiLeaks und die Folgen. Die Hintergründe. Die Konsequenzen, Berlin 2011
Daniel Domscheit-Berg, inside WikiLeaks. Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt, Berlin 2011

Österreichische Datenschutzkommission
WikiLeaks
OpenLeaks
Vorratsdatenspeicherung Österreich

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