Gedanken für den Tag

von Zeynep Elibol. "Früchte des Ramadan"

In dieser Woche beginnt für Muslime und Musliminnen der neunte Monat des islamischen Mondkalenders, der Fastenmonat Ramadan. Das Fasten von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang während des Ramadan ist eine der im Koran verankerten religiösen Pflichten der Muslime. Das Fastenbrechen mit Einbruch der Dunkelheit - das sogenannte iftar - ist dann aber eine sehr freudige und gesellige Angelegenheit. Doch wie in anderen Religionen auch geht es beim Fasten nicht nur um den Verzicht auf Nahrung, sondern auch um die religiöse Besinnung und Erneuerung. So gesehen kann der Ramadan als eine Zeit verstanden werden, die dazu einlädt, sich der eigenen Werte wieder neu zu besinnen und diese auch zu hinterfragen.

Zeynep Elibol, die Leiterin der Islamischen Fachschule für soziale Bildung in Wien, fragt in den "Gedanken für den Tag" nach menschlichen Beziehungen, dem Ego, Bildung, Gewalt, Gender und die kulturstiftende Kraft von Religion.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

So wie der Tag durch die Nacht hervorgehoben wird, die Gesundheit durch Krankheit an Bedeutung gewinnt, ergänzen Leben und Tod einander. Leben und Tod sind von Allah dem Menschen gegeben, glauben Musliminnen und Muslime. Der Tod sei ein Übergang ins Jenseits, in eine andere Dimension. Der Lebensgeist des Menschen sterbe jedoch nicht, sondern verlasse den Körper und gehe ins Jenseits ein. Er scheide aus dieser Welt in eine andere. Der Körper wird im Islam gleichsam als Schiff gesehen, das den Lebensgeist getragen hat. Der Tod gilt als Geschöpf Allahs. Im Quran heißt es, dass jedes Lebewesen den Tod kosten wird, aber dass wir von Allah kommen und die Heimkehr wieder zu Ihm ist. Das Leben ist sehr wertvoll. Somit ist auch die Bemühung Leben zu retten sehr wertvoll. Im Quran heißt es, wie auch in spirituellen Quellen anderer Religionen, dass wenn ein Mensch ein Leben rettet es so ist als ob er oder sie die ganze Menschheit gerettet hätte und dass wenn jemand einen Menschen tötet es so ist als ob er oder sie die ganze Menschheit getötet hätte. Doch so wie es Leben und Tod für den Körper gibt, gibt es auch Leben und Tod für die Spiritualität. Ich bin überzeugt, wie eine zarte Blüte soll auch die Spiritualität gepflegt werden. Ich nenne es: Die Nähe zu Allah suchen.
Für mich ist der Ramadan ein wichtiger Anlass diese vielleicht schon etwas verkümmerte Pflanze, die Spiritualität, die eingeschlummert oder verwelkt ist, wieder zu beleben, sich spirituell zu entwickeln und aufzutanken. Durch das gemeinschaftliche Gebet am Abend, durch Quranrezitationen, durch die Hilfe für bedürftige Menschen und durch Meditationsübungen. All das ist eine Form von "Wiederbelebung" für den Geist und für das Herz. Im Ramadan, und natürlich nicht nur in diesem Monat, sind die Menschen aufgefordert um das Gute zu wetteifern und damit sich und einander Gutes zu tun: Allein durch das Zusammenkommen am Abend und durch das gemeinsame Fastenbrechen ist dieser Segen, diese Wiederbelebung und die Freude zu spüren. Mit dem Sonnenuntergang, so glaube ich, ergeht eine globale Einladung von Allah und Milliarden von Musliminnen und Muslimen auf der ganzen Welt folgen dieser Einladung in dem sie ihr Fasten brechen und sich physisch und auch geistig stärken. Somit wird jeder Abend zu einem Fest in dem das Brot und die Freude geteilt werden. Darauf freu ich mich schon am Morgen.

Service

Wenn Sie diese Sendereihe kostenfrei als Podcast abonnieren möchten, kopieren Sie diesen Link (XML) in Ihren Podcatcher. Für iTunes verwenden Sie bitte diesen Link (iTunes).

Sendereihe

Playlist

Titel: GFT 110806 Gedanken für den Tag / Zeynep Elibol
Länge: 03:48 min

weiteren Inhalt einblenden