Gedanken für den Tag

von Rudolf Taschner. "Sechs Fragen zur Gerechtigkeit"

"Was ist denn schon gerecht? Der Ort unserer Geburt? Unsere Herkunft? Unsere Gene, die scheinbar Schicksal spielen? Der Zufall, der uns vor einem Unglück bewahrt, oder uns über Nacht zum Millionär werden lässt?", das fragt Rudolf Taschner, Professor an der Technischen Universität Wien, Betreiber des "math.space"-MuseumsQuartiers und Autor des Buches "Gerechtigkeit siegt - aber nur im Film".

Gerechtigkeit auf dieser Welt gebe es nicht, meinen hoffnungslose Realisten. Doch das eigene Glück hängt nicht unbedingt davon ab, wie groß das Stück vom Kuchen ist, das man selbst abbekommt, hält der Mathematiker Rudolf Taschner dagegen und gibt einige Denkanstöße mit auf den Weg.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Gerechtigkeit und Geschäft

Auf dem Markt, jenem abstrakten Ort, an dem Waren feilgeboten, Dienstleistungen verkauft, Geschäfte aller Art getätigt werden, zählt nicht der ideelle Wert einer Ware, sondern der für diese Ware erzielte Preis. Eine scheinbare Quelle von Ungerechtigkeit.

Ein Beispiel: Eine hart arbeitende, alleinerziehende Kindergärtnerin findet es nachvollziehbar ungerecht, dass sie für ihre Arbeit ein Gehalt bezieht, mit dem sie sich und ihre Familie so recht und schlecht über die Runden bringt, während der Vater eines der ihr anvertrauten Kinder als gefeierter Quiz-Moderator im Fernsehen mehr als das Dutzendfache dafür verdient, dass er einmal im Monat für ihn vorgefertigte Fragen mit verschmitztem Lächeln vor der Kamera vorlesen darf. Dieses Ungerechtigkeitsempfinden rührt daher, dass sie den Wert der beiden Tätigkeiten vergleicht und zur Ansicht gelangt: Ihre Arbeit ist schwerer und zugleich nützlicher als jene des Moderators, wird jedoch mit viel weniger Bezahlung honoriert.

Aber der Markt bemisst den Wert einer Arbeit nicht an deren Aufwand oder deren Nutzen für die Gesellschaft, sondern einzig und allein danach, wie gut sich mit ihr handeln lässt. Und einer Kindergärtnerin wollen, im Gegensatz zum Quizmoderator, nun einmal nicht Hunderttausende bei der Arbeit zuschauen, weshalb sie für die Werbeindustrie keine Rolle spielt.

Wie kann man darauf Einfluss nehmen, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen? Der deutsche Ökonom Walter Eucken gibt hierauf die Antwort: "Der Staat soll weder den Wirtschaftsprozess zu steuern versuchen, noch die Wirtschaft sich selbst überlassen: Staatliche Planung der Formen - ja; staatliche Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses - nein." Der persönlichen Verantwortung als Teilnehmer des Marktes enthebt all das allerdings nicht.

Service

Buch, Rudolf Taschner, Gerechtigkeit siegt - aber nur im Film, Ecowin Verlag

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Sendereihe

Playlist

Titel: GFT 110811 Gedanken für den Tag / Rudolf Taschner
Länge: 03:49 min

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