Gedanken für den Tag

von Johanna Schwanberg. "Von Venus, Maria und Lucretia" - Frauenbilder in Kunst und Leben

Die Frau als verführerische Venus oder als entrückte Himmelskönigin? Der jahrhundertalte "männliche Blick" auf die Frau spiegelt sich auch in der Kunst.

Die Kunstkritikerin Johanna Schwanberg setzt sich in den "Gedanken für den Tag" - ausgehend von einem "Maria Himmelfahrt-Gemälde" - mit der Frage auseinander, wie Frauen gesehen werden und wie sie sich selbst sehen. Dabei zeigt Schwanberg anhand von Meisterwerken verschiedener Künstlerinnen und Künstler im Lauf der Jahrhunderte auf, dass die Darstellung von Frauen zu den spannendsten Themen der Kulturgeschichte gehört. Denn seit den frühesten bekannten Frauendarstellungen, wie der Venus von Willendorf, spiegeln die Kunstwerke immer die gesellschaftspolitische Struktur und die Rollenbilder einer Zeit.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Es ist ein Bild, das mich aus zwei Gründen fesselt. Zum einen, weil es mich daran erinnert, wie schwierig es Frauen jahrhundertelang hatten. Zum anderen, weil es eine ungeschönte Auseinandersetzung mit dem alternden weiblichen Körper ist. Ein Thema, das in der auf Schönheit und Jugend ausgerichteten Mediengesellschaft leider tabuisiert wird.

Allein der Titel beschönigt gar nichts. Denn das Bild heißt "Illusion von den versäumten Heiraten." Gemalt hat es die Grande Dame der österreichischen Malerei, Maria Lassnig, im Jahr 1998. Die heute über neunzigjährige Künstlerin hat sich in diesem Bild unverkennbar selbst dargestellt. Mit nacktem, faltigem Oberkörper blickt sie - damals auch schon fast 80 - aus dem Bild. Der Mund ist geöffnet, so als würde sie sprechen wollen. In den Armen hält sie einen kleinen Menschen. Es könnte ein Säugling sein, dem Titel nach auch ein Mann in Miniaturgröße.

"Ich kann nur raten, nicht als Frau geboren zu werden", meinte Maria Lassnig einmal zu mir. Sie sprach damit ihre schwierige Situation in der männerdominierten Kunstwelt der Nachkriegszeit an. Ein Leben als Ehefrau und Mutter war für sie mit einem Künstlerdasein nicht vereinbar. Lassnig hat sich für die Malerei entschieden. Und sie hat sich mit unermüdlichem Einsatz und herausragenden Werken durchgesetzt. Im Jahr 1980 übernahm sie eine Meisterklasse an der damaligen Hochschule für angewandte Kunst - als erste weibliche Professorin für Malerei im deutschsprachigen Raum.

Ich bin froh, dass ich in einer Zeit lebe, in der es möglich ist, als Frau Kinder zu haben und beruflich aktiv zu sein. Leicht ist es dennoch nicht, wie ich als Mutter zweier Kinder tagtäglich erfahre. Aber das gilt mittlerweile auch für Männer, wenn sie "halbe-halbe" wirklich leben.

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Playlist

Titel: GFT 110820 Gedanken für den Tag / Johanna Schwanberg
Länge: 03:45 min

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