Gedanken für den Tag

von Niki Glattauer. "Für welches Leben lernen wir?"

"Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir", kritisierte einst schon Seneca. Doch für welches Leben sollte der Mensch lernen? Ausschließlich für das spätere Berufsleben? Ist Schule also eine Kaderschmiede für die Wirtschaft?

Schule sei im Idealfall auch Menschenbildung, hält der Hauptschullehrer und Autor des Buches "Der engagierte Lehrer und seine Feinde", Nikolaus Glattauer, dem entgegen. In diesen Tagen erscheint sein neues Buch zum Thema Schule: "Die PISA-Lüge".

In seinen "Gedanken für den Tag" spricht er über die heikle Beziehungstriangel zwischen Eltern, Lehrerinnen, Lehrern, Schülerinnen und Schülern, über den vielfach unterschätzten Wert von Religionen- und Ethikunterricht und über die Bedeutung von Eignung, Neigung und Leistung.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Die Feiertage nach dem islamischen Fastenmonat Ramadan haben heuer fast in den Schulbeginn hinein gereicht, aber eben nur fast, was vor allem bei Österreichs Pflichtschullehrerinnen für Freude gesorgt hat, denn so waren dort nicht schon am ersten Schultag die Klassen halb leer. Um die Kirche im Dorf zu lassen: Mohammed hat im Leben meiner 14-jährigen Ayses und Alis ungefähr den gleichen Stellenwert wie das liebe Jesulein im Leben meiner 14-jährigen Jessicas und Kevins. Trotzdem entzünden sich auch in Österreich an der kulturellen Herkunft von Schulkindern (Stichwort: Migrationshintergrund) die Gemüter. Ich halte das für dumm und gefährlich.

In den USA hat Präsident Obama aus Anlass des heurigen Ramadan zum Fastenbrechen ins Weiße Haus eingeladen. Er hat dort die positive Rolle der amerikanischen Muslime betont, die, sagt er, ganz entscheidend dazu beigetragen hätten, dass es nach dem Anschlag des 11. September, der sich ja morgen zum 10. Mal jährt, nicht zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft gekommen ist.

Ein Team, ob im Sport oder in der Wirtschaft, hat nur dann Erfolg, wenn seine Spielerinnen in Teamarbeit erfolgreich sind. Wer das akzeptiert, kann ein Auseinanderdividieren der Bürgerinnen eines Landes in unterschiedlich wertvolle Parallelgesellschaften nicht gutheißen. Wir haben in Österreich immer noch eine Zwei-Klassen-Schulgesellschaft. Und wir haben entlang der Trennlinie zwischen Einheimischen mit deutscher Muttersprache und anderen genauso Einheimischen mit anderen Muttersprachen ein soziales Gefälle, das die engagiertesten Lehrerinnen nicht mehr ausgleichen können.

Schule kann Brücken bauen, Schule kann Gräben zuschütten. Lassen wir sie doch!

Service

Buch, Nikolaus Glattauer, Die Pisa-Lüge, Verlag Ueberreuter

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Playlist

Titel: GFT 110910 Gedanken für den Tag / Niki Glattauer
Länge: 03:46 min

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