Menschenbilder

"Die Theaterdirektorin als Staatsoberhaupt. Vigdís Finnbogadóttir, erste frei gewählte Präsidentin der Welt". Gestaltung: Johann Kneihs

Sie gilt vielen Landsleuten immer noch als inoffizielle Präsidentin Islands: Vigdís Finnbogadóttir. Als sie 1980 - als erste Frau der Welt - zum Staatsoberhaupt gewählt wurde, gab es internationales Aufsehen und sie war auch in Island umstritten. Doch dann waren selbst Gegner und Skeptikerinnen rasch überzeugt. Vier Amtszeiten, 16 Jahre lang, war die studierte Literatur- und Theaterwissenschafterin "Islands Gesicht" nach außen. In ihre Amtszeit fiel unter anderem 1986 das Reykjaviker Gipfeltreffen von Ronald Reagan und Michail Gorbatschow.

Mit Charme und Hartnäckigkeit vertrat "Präsidentin Vigdís" die Anliegen, die ihr am Herzen lagen: Die Bewahrung der isländischen Sprache und Kultur, aber auch der Natur Islands. Bei Besuchen rund um die Insel pflanzte sie Bäume - mit Kindern und für die Kinder zukünftiger Generationen. Nicht zuletzt betonte sie die Würde und gleichen Rechte der Frauen in der Gesellschaft. Als geschiedene, alleinerziehende Mutter einer adoptierten Tochter hatte sie selbst Erfahrung mit Vorurteilen.

Als sie 1996 gebeten wurde, ein fünftes Mal zur Präsidentin zu kandidieren, lehnte sie ab: Sie wolle aufhören, bevor und nicht erst nachdem sie die Lust verliere. Politik war nie ihr ganzes Leben. Nach dem Studium in Frankreich, Dänemark und Island unterrichtete Vigdís Finnbogadóttir an einem Gymnasium; sie engagierte sich in einer freien Theatergruppe, war Fremdenführerin, Universitätslektorin und mit ihren Sprachkursen im Fernsehen die "Französischlehrerin der Nation". Von 1972 bis zu ihrer Wahl 1980 leitete sie das Stadttheater von Reykjavik.

Am 15. April 2010 feierte man in Island mit Ehrungen und Festlichkeiten den 80. Geburtstag von Vigdís Finnbogadóttir, die in Umfragen immer noch als bedeutendste lebende politische Persönlichkeit Islands betrachtet wird. Nach wie vor engagiert sich "Präsidentin Vigdís" für kulturelle und soziale Belange; unter anderem übernahm sie den Ehrenschutz über Islands Auftritt als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2011.

Zum Gespräch für diese Sendung bittet Vigdís Finnbogadóttir in ihr Haus nahe der Universität - es ist ein schlichter, eingeschossiger Bau, allerdings von einem blühenden Garten umgeben. Sie spricht bedauernd über die Entwicklung ihres Landes während der letzten Jahre - die überstürzte Liberalisierung und das Spekulationsfieber, die 2008 beinahe zum Staatsbankrott führten. Aber sie sieht darin auch die Chance für eine Stärkung der kulturellen und humanistischen Werte, die ihrer Überzeugung nach das Fundament jeder Gesellschaft bilden.

Service

Páll Valsson, "Frau Präsident. Eine isländische Biografie", übersetzt von Angela Schamberger, Orlanda Verlag, 2011, ISBN 978-3-936937-82-4

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Þórarinn Guðmundsson
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Jóhannes úr Kötlum
Titel: Land míns föður landið mitt
(Musik teilw. unterlegt)
Ausführende: Kór Langholtskirkju
Leitung: Jón Stefánsson
Länge: 01:51 min
Label: V: Kór Langholtskirkju, CD KL 8197

Komponist/Komponistin: Þorkell Sigurbjörnsson
Album: Liongate - Manuela plays Flute Concerts by Þorkell Sigurbjörnsson
Titel: Columbine, 2. Satz
(Musik teilw. unterlegt)
Solist/Solistin: Manuela Wiesler, Querflöte
Orchester: Southern Jutland Symphony Orchestra
Leitung: Tamás Vetö
Länge: 03:55 min
Label: V: BIS-CD-709

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