Gedanken für den Tag

von Anita Pollak. "In den Hütten sollt Ihr wohnen" - Gedanken rund um die jüdische Holiday-Season

Wann und wie ein Jahr beginnt, ist eine Frage des Standortes und nicht zuletzt der Religion. Das jüdische Neujahr beginnt mitten im Herbst und läutet eine Zeit der Einkehr, der Umkehr, der Besinnung und der Buße ein, die im Versöhnungstag ihren Höhepunkt erreicht. Das darauf folgende einwöchige Laubhüttenfest dagegen ist ein fröhliches Familienfest.

Die Herbstfeiertage bilden das Zentrum des religiösen jüdischen Lebens. Was können sie heute bedeuten, wie werden sie in einer nicht-jüdischen Umgebung begangen und welche spirituelle Kraft geht von ihnen aus? Fragen und Gedanken der Kulturpublizistin Anita Pollak.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

"Zum Fest sind alle Seelen rein gewaschen", heißt es in Ingeborg Bachmanns "Anrufung des großen Bären". Bachmann hat freilich etwas anderes im Sinn gehabt, aber das poetische Bild als solches, es passt perfekt auf das Laubhüttenfest, das Jüdinnen und Juden in diesen Tagen feiern.

Der Beginn des jüdischen Neuen Jahres, wir schreiben bereits das Jahr 5772, ist geprägt von Einkehr, Buße und Umkehr. Am Versöhnungstag wird gefastet und gesühnt, und danach sind, wenn man dran glaubt, wirklich "alle Seelen rein gewaschen". So seelisch und überhaupt sauber begibt man sich in die Laubhütte, um dort im Kreis der Familie zu feiern und zu essen. Denn die Mahlzeiten sollen während des einwöchigen Feiertags womöglich in dieser, der Sukkah, eingenommen werden.

Feiertage sind nicht nur im Judentum mit Familie und Essen verbunden, aber da vielleicht besonders. Zahlreiche Vorschriften bestimmen, was, wo und wann gegessen werden darf.

Was wunder, dass Mahlzeiten und Speisen im Judentum eine ganz besondere Bedeutung haben. Und so ist die Erinnerung an die Feiertage meiner Kindheit auch eine kulinarische, wobei kulinarisch nicht immer mit Genuss, eben vielmehr mit Einschränkungen verbunden war. Als Kind durfte man zu Jom Kippur noch essen, sogar in der Synagoge, während die Erwachsenen fasteten. Dann das erste eigene Fasten, für Mädchen im Alter von Zwölf, die damals unendlich langen Stunden des Hungers und Durstes, der Stolz, es geschafft zu haben. Und schließlich Sukkoth, das Laubhüttenfest. Eine eigene Laubhütte hatten wir in unserer Altbauwohnung natürlich nicht und so pilgerte die ganze Familie zu einigen Mahlzeiten in die Stadt, in die Sukkah eines koscheren Restaurants. Dort saß man dann auf unbequemen Holzbänken, gemeinsam mit anderen Gästen, meistens war es kalt und das Essen ebenso. Üppige Festtagsgelage sehen anders aus. Aber wir befolgten die Gebote und eines davon heißt zu Sukkoth: "Freut euch, sieben Tage lang!"

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Titel: GFT 111013 Gedanken für den Tag / Anita Pollak
Länge: 03:49 min

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