Gedanken für den Tag

von Michael Bünker. "Rosen statt Getreide" - vom Hunger in der Welt

"Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet", stellt der Schweizer Soziologe Jean Ziegler fest. Während mehr als fünf Millionen Menschen in Äthiopien hungern, züchtet eine indische Firma dort auf riesigen Plantagen Rosen für Europa.

Das ist kein Einzelfall: Agrarunternehmen aus Industrie- und Schwellenländern weichen wegen der hohen Bodenpreise in ihrer Heimat zunehmend in Entwicklungsländer aus, auch ans Horn von Afrika. Derweil leidet die Bevölkerung dort unter einer Hungersnot epochalen Ausmaßes. Diese Ernährungskrise geht auf Dürre und Krieg zurück. Hunger gehört am Horn von Afrika zum Alltag, während er in Europa seine Schrecken verloren hat.

Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker spricht anlässlich des evangelischen Reformationstages über den Hunger in der Welt als Herausforderung und Anfrage an all jene, die von diesen ungerechten Strukturen profitieren.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

"Es war ein Fehler, an dem auch ich beteiligt war". Solche selbstkritischen Sätze hört man von Politikern selten. Dieses Eingeständnis stammt von Bill Clinton, der vor Senatoren in Washington im März 2010 über den Hunger gesprochen hat. Welcher Fehler ist gemeint? Jahrzehntelang haben die USA mit billigem Getreide "Entwicklungshilfe" leisten wollen. Allerdings war das keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung der Situation. Bill Clinton meint: "Das Ganze war vielleicht gut für die Farmer in meinem Heimatstaat Arkansas. Aber sonst hat es nicht funktioniert." Die subventionierten Nahrungsmittelexporte aus dem Norden in den Süden haben die Chancen der Bauern und Bäuerinnen dort zerstört. Die OECD Staaten subventionieren ihre Landwirtschaft mit mehr als 300 Milliarden Dollar jährlich. Von fairen Handelsbeziehungen sind wir also weit entfernt. Die in den Ländern des Nordens übliche industrielle Produktion landwirtschaftlicher Güter ist kein Modell für andere Weltgegenden. Sie hat auch ihre deutlichen Schattenseiten: Millionen Tonnen von Getreide, Kartoffeln, Fischen, Schweinen landen in der Mülltonne.
90 000 Tonnen in Österreich im Jahr. Die Spekulation mit Lebensmitteln, mit Grund und Boden ist das Gegenteil einer ethisch begründeten Marktwirtschaft. Dazu kommt, dass unter dem beschönigenden Namen "Biosprit" landwirtschaftliche Produkte in den Tanks unserer Autos landen. Für den Ernährungsbeauftragten der Vereinten Nationen, den Belgier Olivier de Schutter ist das ein verantwortungsloser Irrweg.

Der Hunger wird nicht weit weg produziert, irgendwo auf einem fremden Kontinent. Hunger beginnt auch hier, in den Ländern des Nordens. Die Art, wie hierzulande das tägliche Brot hergestellt und gehandelt wird, hängt damit zusammen, dass es dort fehlt. Es stimmt schon: Die Menschen dort hungern nicht, weil ich womöglich zu viel esse, aber deswegen, weil ich zu wenig denke.

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Titel: GFT 111104 Gedanken für den Tag / Michael Bünker
Länge: 03:49 min

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