Im Gespräch
"Architektur hat mit Gesinnung und Weltanschauung zu tun"
25 Jahre "Im Gespräch": Peter Huemer spricht Margarete Schütte-Lihotzky, Architektin (Erstausstrahlung: 16.Juni 1994 - Bearbeitung: Michael Kerbler)
2. Februar 2012, 21:00
Margarete Schütte-Lihotzky war die erste österreichische Architektin. Als erste und einzige Frau studierte sie von 1915 bis 1919 an der K.K. Kunstgewerbeschule in Wien, der späteren Hochschule für angewandte Kunst. Sie habe unbedingt an der Kunstgewerbeschule studieren wollen, weil diese damals die beste Kunstschule Europas gewesen sei, begründete einmal Margarete Schütte-Lihotzky ihre Entscheidung. Josef Hoffmann und Oskar Kokoschka zählten zu den bekanntesten Lehrern.
Gemeinsam mit Adolf Loos erlebte sie nach dem Ende des Ersten Weltkriegs Demonstrationen auf der Wiener Ringstraße, bei der Tausende Menschen nach Grund und Boden und Baumaterial verlangten, um sich durch Selbsthilfe aus ihrem Elend zu befreien. Die Wohnungsnot veranlasste Schütte-Lihotzky für die "Erste gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft der Kriegsinvaliden Österreichs" zu arbeiten. Gemeinsam mit Loos war sie im Baubüro der Siedlung Friedensstadt am Lainzer Tiergarten aktiv.
Im Jahr 1926 wurde sie vom deutschen Architekten Ernst May ins Frankfurter Hochbauamt gerufen. Dort beschäftigte sie sich mit der Rationalisierung in der Hauswirtschaft. Sie entwarf die so genannte "Frankfurter Küche", die für 10.000 neue Siedlungswohnungen in Frankfurt gedacht war. "Schon 1921 habe ich mit der Stoppuhr gemessen, wie viel Zeit die Frau für welche Arbeitsabläufe in der Küche benötigt", erzählte Schütte-Lihotzky.
Die Architektin engagierte sich aktiv gegen den Nationalsozialismus. Sie reiste Ende Dezember 1940 vom sicheren Istanbul nach Wien und schloss sich dem Widerstand der Kommunistischen Partei an. Am 22. Jänner 1941 wurde sie verhaftet, 1942 zu 15 Jahren Haft verurteilt. Fast alle anderen Mitangeklagten wurden hingerichtet.
Service
Peter Noever, Die Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky, Verlag Ernst & Sohn, Weinheim.
Margarete Schütte-Lihotzky, herausgegeben von Irene Nierhaus, Erinnerungen aus dem Widerstand: Das kämpferische Leben einer Architektin von 1938 - 1945, Verlag Promedia, Wien
Ende Februar wird das Hörbuch mit dem Titel "Eine von vielen: Texte aus dem Widerstand" erscheinen. Die Texte stammen von Margarete Schütte-Lihotzky und Elfriede Hartmann. Es lesen Katharina Stemberger und Katharina Hartmann. Das Hörbuch, das im Wiener Mono Verlag erscheint ist, über Audiobook, Berlin, erhältlich.