Radiokolleg - Recht für viele

Sammelklagen und demokratische Justiz (3). Gestaltung: Sabine Nikolay

Im Jahr 2010 erlebten die Vereinigten Staaten die größte Klage aller Zeiten. 1,6 Millionen Frauen, die bei der Supermarktkette Wal-Mart arbeiteten oder gearbeitet hatten, klagten den Shopping-Giganten wegen Verstoßes gegen die Gleichbehandlungsgesetze. Anders als in Österreich und den meisten europäischen Staaten gibt es in den USA die Möglichkeit, eine Klage im Namen einer großen Anzahl von Personen einzubringen. Diese "class actions", zu deutsch "Massen- oder Sammelklagen" verhelfen jenen Menschen zu ihrem Recht, die sich eine Einzelklage nicht leisten könnten. Statt hunderte Einzelprozesse zu führen, werden strittige Sach- und Rechtsfragen in einem einzigen Verfahren gelöst. Besonders bei kleineren und mittelhohen Forderungen, bei denen die Verfahrenskosten leicht den Streitwert überschreiten, ist dies oft der einzig gangbare Weg, um die Ansprüche durchzusetzen.

Als vor einigen Jahren in einem Ferienclub hunderte Urlauber gleichzeitig erkrankten, hatte auch Österreich seinen ersten Massenschaden. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) entschloss sich damals, einen neuen Weg zu gehen. Die "Sammelklage österreichischer Prägung" wurde erfunden. Bis heute sind Sammelklagen in Österreich jedoch gesetzlich nicht geregelt. Die Vorbehalte gegenüber dem kollektiven Rechtsschutzinstrument sind groß: In den USA gibt es Anwälte, die mit "class actions" viel Geld machen: Sie suchen Klienten, denen sie die Durchsetzung ihrer Forderungen in Aussicht stellen - und verdienen dabei enorme Honorare, während die Geschädigten mit geringen Beträgen abgefertigt werden. Die beklagten Unternehmen wiederum stöhnen über "staatlich legitimierte Erpressung".

In Österreich muss nun, nach einem neuerlichen Massenschaden, ein Weg gefunden werden, den Geschädigten zum Recht zu verhelfen, ohne dem Missbrauch des Rechtsinstruments "Massenklage" Tür und Tor zu öffnen.

Wir beleuchten die US-amerikanische Situation, zeichnen die Entwicklung in Österreich und anderen europäischen Staaten nach und berichten über die Auswüchse von Sammelklagen ebenso wie über den verbesserten Zugang zum Recht, den diese Klagsform ermöglicht.

Service

Reiffenstein/Blaschek, Konsumentenpolitisches Jahrbuch 2009-2010, Band 42, Verlag Österreich.

Verein für Konsumenteninformation (Hg.), Sammelklagen in Österreich. Praktische Erfahrungen - Ökonomische Analyse - Meinungsumfrage (zu beziehen über den VKI).

Sixtus Jodlbauer, Kollektiver Rechtsschutz in Österreich. Von der "Sammelklage nach österreichischem Recht" zur Gruppenklage in der österreichischen Zivilprozessordnung? Diss. Univ. Salzburg, 2011.

Verbraucherrecht.at
konsument.at, Verein für Konsumenteninformation
Konsument.at, Februar
AWD wegen Falschberatung rechtskräftig verurteilt, CBK Forum, 2.3.2011
Urteil gegen AWD, Wiener Zeitung, 3.11.2011

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