Gedanken für den Tag

Von Carla Amina Baghajati. "Poetisches zum Ramadan". Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Der Fastenmonat Ramadan ist über seine religiöse Bedeutung hinaus tief in den Kulturen muslimischer Gesellschaften verwurzelt. So hat der Ramadan als Motiv auch in die Literatur Eingang gefunden. In Prosawerken liefert er häufig einen Hintergrund für menschliche Konflikte, der Widersprüche zwischen ethischem Anspruch und gelebter Wirklichkeit noch schärfer in Szene setzt, gerade darum aber mit manchmal unbequemen Erkenntnissen konfrontiert. In der Poesie zeigt sich eine starke mystische Ausrichtung. Werte wie soziale Gerechtigkeit, Spiritualität, Geduld, Freiheit, Versöhnung und Dialog können über den Ramadan und seine Ideale thematisiert werden.

Die in dieser Woche von Carla Amina Baghajati ausgewählten und präsentierten Texte rücken jeweils einen der genannten Werte ins Zentrum. Von Yunus Emre bis zu Assia Djebar und Orhan Parmuk spannt sich der literarische Bogen und öffnet den Blick auf muslimische Denkens- und Lebensweise zum Ramadan.

Der Fastenmonat Ramadan ist eine Schule der Geduld, die ausstrahlen soll auf das ganze Verhalten des Menschen. Fastende sollten im Umgang mit anderen Menschen als positiv erlebt werden. Der Prophet Muhammad drückt dies deutlich in folgendem Ausspruch aus: "Wenn sich jemand nicht der Falschheit in Wort und Tat enthält, dann liegt Allah nichts daran, dass er sich des Essens und Trinkens enthält." Der anatolische Dichter und Sufi-Mystiker aus dem 13. Jahrhundert Yunus Emre schrieb gegen den damaligen Zeitgeist auf Türkisch. Seine Texte gewinnen daraus eine Unmittelbarkeit, die ihm bis heute den Ruf als Volksdichter einträgt. Er betont in einem seiner bekanntesten Gedichte vor allem den Aspekt eines verantwortungsvollen Umgangs in der Rede. Mit dem König ist dabei Gott gemeint:

Wer zu reden versteht sein Gesicht erleuchtet ein Wort schon
Der nachdenkt bevor er spricht was hilft ihm weiter ein Wort schon
Ein Wort beendet den Krieg ein Wort köpft
Auch das giftige Mahl versüßt ein Wort schon
Steigre deine Redekunst lass weg was nicht taugt
Sprich überlegt sprich kein albernes Wort
Nahe dich königstreuer Bruder versteht mein Wort
Unzählige Edelsteine zu schwarzer Erde zermahlt ein Wort schon
Es muss einer wissen wann er spricht also verliert er kein falsches Wort
Hier diese Erdenhölle zu acht Paradiesen ändert ein Wort schon
Geh deinen Weg gib nichts auf die eigene Kenntnis
Hüte dich vor deiner Zunge dein Leben brandmarkt ein Wort schon
Yunus achtsam lotse dein Wort aus dem Worthafen
Der Sphäre des Königs entrückt dich ein Wort schon.

Service

Buch, Yunus Emre, "Das Kummerrad - Dertli Dolap", Dagyeli Verlag

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Sendereihe

Playlist

Titel: GFT 120718 Gedanken für den Tag / Carla Amina Baghajati
Länge: 03:49 min

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