Gedanken für den Tag

Von Andreas Muhar. "Was ich alles nicht weiß" - Wissenswertes über das Nichtwissen. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Die Integration verschiedener Wissensarten ("Expertenwissen", "Laienwissen") bei der Lösung von Nachhaltigkeitsfragen ist einer der Forschungsschwerpunkte von Andreas Muhar, Professor an der Universität für Bodenkultur Wien.

In den "Gedanken für den Tag" setzt er sich rund um den Beginn des neuen Schuljahres mit dem "Nichtwissen" auseinander. Dieses sei nämlich oft besser als sein Ruf, so Muhars provokante These.


Über den Umgang mit dem eigenen Nichtwissen

"Das weiß ich nicht." Dieser Satz ist nicht leicht auszusprechen, vor allem dann nicht, wenn ich weiß, dass meine Gesprächspartner erwarten, dass ich eben etwas weiß. Als Wissenschaftler bin ich oft in der Situation, dass von mir Wissen zu allen möglichen Fragen erwartet wird.

In den Buchhandlungen gibt es meterlange Regale mit Ratgebern, die erklären, wie ich mein Wissen anderen vermitteln kann, wie ich mich als kompetenter Gesprächspartner verkaufen, wie ich überzeugende Präsentationen abliefern kann. Der Begriff "Knowledge Economy" sagt ja, dass mit Wissen viel Geld zu verdienen ist.

Das Nichtwissen kommt dabei selten zur Sprache. Wie soll ich reagieren, wenn jemand von mir Wissen erwartet, das ich nicht habe? Die Zahl der Ratgeber dazu ist verschwindend klein. Das Buch "Nichtwissen für Anfänger" muss erst geschrieben werden.

Ich kann in meinem Umfeld verschiedene Reaktionsmuster beobachten: Manche Menschen verfallen, wenn ihr Nichtwissen entdeckt wird, in peinliches Schweigen und sind in ihrem Selbstverständnis erschüttert, weil sie glauben, dass die Wertschätzung durch andere nur auf ihrem eigenen Wissen beruht. Nicht weit davon entfernt ist der alte Professor, der es als empörenden Angriff auf seine Autorität sieht, wenn jemand eine Frage stellt, die er nicht beantworten kann. Er spricht dann meistens dem Fragesteller das Recht ab, etwas zu der Sache zu sagen.

Viele Leute, und dazu gehöre wohl auch ich, lassen es sich nicht gerne anmerken, dass sie etwas nicht wissen, und versuchen, sich das fehlende Wissen möglichst rasch anzueignen, um es gleich in das Gespräch einbringen zu können. Für solche Menschen ist das Internet mit seinen raschen Suchmöglichkeiten natürlich ein Segen, sie können noch während eines laufenden Telefonats am Computer recherchieren.

Manche wiederum schauen, dass sie schnell zu einem anderen Thema wechseln, bei dem sie sich sicherer fühlen. Dazu gehört auch jener Kollege, der in solchen Situationen immer versucht, das Gespräch gleich auf eine ganz andere Ebene zu bringen, also vom Fachlichen zum Geselligen. Wenn sein Nichtwissen im Raum steht, lädt er einfach alle auf ein Bier ein und erspart sich damit, den einfachen, aber offenbar doch so schwierigen Satz auszusprechen: "Das weiß ich nicht."

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Titel: GFT 120908 Gedanken für den Tag / Andreas Muhar
Länge: 03:49 min

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