Zwischenruf

von Pfarrer Marco Uschmann (Wien)

Stell dir vor, es ist Untersuchungsausschuss und keiner geht hin. Dieses Gefühl stellt sich zwangsläufig bei einem ein, wenn man die unselige Geschichte der Untersuchungsausschüsse der vergangenen Tage, Wochen und Monate verfolgt. Und verirrt sich dann doch noch einmal ein geladener Zeuge vor die hohen Damen und Herren, dann entschlägt er sich der Aussage und sagt vorsichtshalber nichts.

Ein Untersuchungsausschuss ist ja nun dazu da, Licht in klärungsbedürftige Aktionen von Politikerinnen und Politiker zu bringen. Es gibt also schon einmal, gelinde gesagt, den Verdacht, dass bei der einen oder anderen Angelegenheit etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Volksvertreterinnen und Volksvertreter haben ja nun die Aufgabe, wie der Name schon sagt, das Volk zu vertreten. Dafür schenkt man ihnen Vertrauen, man wählt sie. Politik ist Vertrauenssache - dass dieses Vertrauen den Wählerinnen und Wählern abhandenkommt, das braucht doch bei den Vorgängen rund um die Untersuchungsausschüsse niemanden zu wundern. Etwa: .was da geboten wurde kann ich als nichts anderes als eine Farce bezeichnen. Ein Kontrollausschuss ist ein parlamentarisches Kontrollinstrument, das Politikerinnen und Politikern auf die Finger schaut und Unregelmäßigkeiten aufdecken soll. Schlimm genug, dass so etwas notwendig ist, weil das an den Wahlurnen geschenkte Vertrauen mitunter so missbraucht wird. Dann allerdings über Monate um diese Ausschüsse hin- und her zu lavieren, nicht zu erscheinen, nicht auszusagen, Machtspielchen um Tagesordnungen zu betreiben, Vorsitzenden das Misstrauen auszusprechen. Wie gesagt: Eine Farce!

Wenn nur die Wahlen nicht wären. Denn nun werden die ersten Protagonis dieser Geschichte von ihren eigenen Leuten abgestraft und zeigen bemerkenswerte Blindheit, indem sie von Kommunikationsproblemen sprechen. Nein, meine Damen und Herren, da geht es nicht um Kommunikationsschwierigkeiten, da geht es um Wahrhaftigkeit, und einmal mehr um Vertrauen, das man sich immer wieder verdienen muss. Es ist ja kein Wunder, dass landauf landab Politikverdrossenheit zu bemerken ist. Aber in Wahrheit ist nicht die Politikverdrossenheit der Bürger ein Problem für die Demokratie. Sondern die Entfremdung mancher Politiker von ihren Wählern. Die Bürger verlieren auch nicht das Interesse an der Politik. Könnte es vielleicht sein, dass der eine oder andere gewählte Volksvertreter das Interesse am Volk verliert?

Max Weber, der große Philosoph und Sozialethiker, hat in seinem bemerkenswerten Vortrag "Politik als Beruf" bereits 1919 die drei wichtigsten Qualitäten eines Politikers festgestellt: Das sind neben sachlicher Leidenschaft und distanziertem Augenmaß vor allem das Verantwortungsgefühl. So hat Weber auch den Begriff der Verantwortungsethik geprägt, nach der ein Mensch Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen hat und immer auch die Folgen seines Handelns bedenken muss. Das gilt umso mehr, wenn man in der Politik agiert, heißt das Wort "Politik" doch seiner Herkunft nach "das Gemeinwesen" - also so etwas wie Öffentlichkeit. Hier zu agieren bedeutet, in der Öffentlichkeit zu stehen und diese Öffentlichkeit verleiht die Macht eines politischen Mandats. Tritt man nun einen Schritt zurück und betrachtet das Possenspiel um die Untersuchungsausschüsse, dann drängt sich einem wirklich nicht der Gedanke auf, hier werde Verantwortung wahrgenommen. Auch gelebte Demokratie, ein Stichwort, das im Zusammenhang der Untersuchungsausschüsse gefallen ist, sieht für mich anders aus. Gelebte Demokratie würde etwa bedeuten, sich denjenigen zu stellen, die einen gewählt haben und im Fall eines Untersuchungsausschusses sind das eben die gewählten Vertreter und Vertreterinnen des Volkes. Ihnen ist Rede und Antwort zu stehen, auch wenn es unangenehm zu werden droht und dem politischen Kalkül zuwider läuft.

Die größte Schwäche für viele Politiker ist die Eitelkeit, konstatiert Jakob Augstein im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", sie lasse den Politiker unsachlich und verantwortungslos werden. Leider hat er Recht.

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