Radiokolleg - Inklusion als Perspektive
Leitlinien einer offenen Gesellschaft (3). Gestaltung: Beate Firlinger
6. Februar 2013, 09:05
Die Debatte über das soziale Miteinander dreht sich seit Jahrzehnten vor allem um das Schlagwort der Integration. Erst in jüngerer Zeit gibt die Idee der Inklusion dem Diskurs eine neue Wendung. Die Leitbegriffe Integration und Inklusion stehen für zwei Modelle, die einander ergänzen und sich gleichzeitig grundlegend unterscheiden.
Integration bedeutet, Einzelteile in ein Ganzes zu fügen. Der Ansatz zielt darauf ab, etwa Menschen mit Migrationserfahrung oder Behinderung in bestehende Systeme einzugliedern. Eine Sichtweise, die davon ausgeht, dass von außen kommende Minderheiten von einer Mehrheit aufgenommen werden. Dabei rücken - je nach Interpretation von Integration - die Defizite marginalisierter Gruppen mehr oder weniger in den Vordergrund. Langläufig wird Integration nach wie vor als Bringschuld der Aufzunehmenden gesehen, die zuerst ihre Anpassungsfähigkeit, etwa in Form von Sprachkenntnissen, an die als homogen gedachte Gemeinschaft unter Beweis stellen müssen.
Eine andere Vorstellung des Zusammenlebens erschließt das Prinzip der Inklusion. Es setzt die Vielfalt der Gesellschaft als normal voraus und macht die heterogenen Lebensrealitäten zum Ausgangspunkt der Betrachtungen. So sind die Menschen mit ihren diversen kulturellen und sozialen Ansprüchen bereits gleichwertige Teile des großen Ganzen und müssen daher nicht erst integriert werden. Zentrales Anliegen ist die uneingeschränkte Teilhabe aller, ohne dass einzelne Personen gezwungen sind, nicht erreichbare Normen zu erfüllen. Dazu müssen nicht die Individuen ihr Anderssein verändern, sondern Barrieren beseitigt und exkludierende Strukturen geöffnet werden.
Dieser Paradigmenwechsel findet etwa in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen seinen Ausdruck. Denn das völkerrechtliche Übereinkommen, das die Republik Österreich im Jahr 2008 ratifizierte, definiert Inklusion als umfassendes Menschenrecht von behinderten Personen. Doch während sich in Fachkreisen ein Umdenkprozess vollzieht, wird auch die Kritik an der mangelnden Umsetzung von inklusiven Konzepten lauter. Denn sowohl im Bildungswesen als auch in der Arbeitswelt existiert in Österreich weiterhin eine Systematik der Aussonderung, die sich wie ein roter Faden durch die prekären Laufbahnen behinderter und sozial benachteiligter Menschen zieht.
Wie steht es um die Rahmenbedingungen für inklusive Modelle des Lernens und Arbeitens? Welche Formen der Ausgrenzung gehen mit Arbeitslosigkeit und Armut einher? Warum verdichtet sich die sozial-räumliche Segregation besonders in den Städten? Wird die Integrationspolitik schon ausreichend vom Gedanken der Inklusion getragen? Welchen Beitrag kann dabei Diversitätsmanagement leisten? Wie gestalten sich innovative Beteiligungsmöglichkeiten, die ein Gefühl der Zugehörigkeit befördern? Brauchen wir eine neue Willkommens- und Wertschätzungskultur?
Beate Firlinger erkundet für das Radiokolleg die Prozesse und Perspektiven im Feld der Inklusion.
Service
Ilker Ataç / Sieglinde Rosenberger (Hg.): Politik der Inklusion und Exklusion.
V&R unipress, Wien 2012
Regine Bendl / Edeltraud Hanappi-Egger / Roswitha Hofmann (Hg.): Diversität und Diversitätsmanagement.
UTB, Stuttgart 2012
Martin Kronauer: Exklusion. Die Gefährdung des Sozialen im hoch entwickelten Kapitalismus. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2010
Mark Terkessidis: Interkultur.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
Brozek Power Consulting-Zeitgemäße Kommunikation und Umgang mit Vielfalt
difference: Gesellschaftsanalyse.Innovation.Integration
Institute for Studies in Visual Culture
design for all-Zentrum für barrierefreie Lebensräume
Diakonieverein Salzburg
Lebenshilfe Österreich
Gender und Diversitätsmanagement-Wirtschaftsuniversität Wien
Ursula Naue-Disability Studies und Politikwissenschaft
Forschungsgruppe INEX - Politik der Inklusion und Exklusion
Quartiersmanagement Reuterplatz
Campus Rütli
Wiener Integrations- und Diversitätsmonitoring
Wiener Charta
UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen