Radiodoktor - Medizin und Gesundheit
Gefährdet die Gesundheitsreform die medizinische Versorgung der Bevölkerung oder wird alles besser?
18. Februar 2013, 14:05
Jetzt wird es also ernst.
Die letzte tiefgreifende Reform des Gesundheitswesens war im Jahr 1997. In den seitdem vergangenen 16 Jahren wurde ständig über tatsächlich vorhandene und hausgemachte Probleme diskutiert: teure Krankenhäuser, lange Wartezeiten in Spitalsambulanzen und überfordertes Personal, kurze Öffnungszeiten bei niedergelassenen Ärzten usw.
Nach eingehenden Debatten sollen nun die Grundprobleme angegangen werden. So zahlen die Krankenkassen für niedergelassene Ärzte und Spitalsambulanzen, die Länder sind für die Spitäler zuständig und bekommen von den Kassen dafür nur einen gedeckelten Pauschalbeitrag. Das Ergebnis: Patientinnen und Patienten werden im Kreis geschickt und jede Seite ist froh, wenn die Menschen von der jeweils anderen behandelt werden und die Kosten dort anfallen. Anders formuliert: In Österreich stehen kranke Menschen viel zu häufig nicht im Mittelpunkt, sondern im Weg.
Ab 2014 sollen Länder und Krankenkassen gemeinsam die Versorgung planen und finanzieren. Die Erkrankten sollen dort behandelt werden, wo es für sie am besten ist.
Klingt super - nur gibt es die Strukturen dafür nicht!
Wie wir alle wissen: Zehntausende Personen warten täglich stundenlang in überfüllten Spitalsambulanzen - sehr häufig mit Gesundheitsproblemen, die auch von einem niedergelassenen Allgemeinmediziner oder Facharzt betreut werden könnten.
Doch im niedergelassenen Bereich sind entweder die Ordinationszeiten zu kurz oder gibt es zu wenige Ärzte.
"Die Patienten strömen nicht deswegen in die Ambulanzen, weil dort die Wartezeiten so angenehm sind, sondern weil sie das System dort hindrängt", sagt Dr. Gerald Bachinger, Sprecher der Patientenanwälte.
Als Ursache für die "Fehlsteuerung", wie Bachinger es nennt, ortet er falsche und veraltete finanzielle Anreize für den Arzt - etwa Kassenverträge mit 15 Wochenstunden sowie Pauschalierungen, die eine intensive Betreuung unrentabel machen und das fehlende verbindliche Tätigkeitsprofil für Kassenvertragsärzte.
Wiens Ärztekammerpräsident Dr. Thomas Szekeres fordert hingegen mehr als 1.000 zusätzliche Arztstellen in Österreich, doch gleichzeitig gehen in den kommenden Jahren bis zu 50 Prozent der Hausärzte in Pension und Ersatz kann nicht rechtzeitig ausgebildet werden. Andere Ärztevertreter sehen das Problem bei den Patienten selbst, die aus "Bequemlichkeit" die teuren Spitäler überlasten und fordern pikanter Weise die Wiedereinführung von Selbstbehalten in Form von Ambulanzgebühren. Kommt Ihnen das bekannt vor? Zu Recht - denn dieses Projekt ist schon einmal gescheitert. 2001 eingeführt, wurde die Ambulanzgebühr zur Erleichterung aller Beteiligten 2003 wieder abgeschafft.
Welche Lösungen gibt es nun für diese komplexe Situation?
Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos erörtert mit ihren Gästen die Gründe für lange Wartezeiten in überfüllten Ordinationen und Spitalsambulanzen und zeigt Alternativen auf, wie neue Erstversorgungszentren in Spitälern nach dem Modell amerikanischer "Emergency Rooms" oder Gruppenpraxen mit langen Öffnungszeiten im niedergelassenen Bereich.
Eine Sendung von Martin Rümmele.
Redaktion: Christoph Leprich
Service
Dr. Gerald Bachinger
Nö-Pflege- und Patientenanwalt, Sprecher der Österr. Patientenanwälte
NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft
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NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft
ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres
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Ärztekammer für Wien
Dr. Reinhard Dörflinger
Arzt für Allgemeinmedizin
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Dr. Reinhard Dörflinger
Bundesministerium für Gesundheit
Radetzkystraße 2
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Bundesministerium für Gesundheit
Hauptverband der Sozialversicherungsträger
Kundmannstraße 21
A-1031 Wien
Tel.: +43/1/71132-0
Hauptverband der Sozialversicherungsträger
Die Gesundheitsreform im Detail
Zahlen und Fakten zum Gesundheitswesen
Broschüre zum Gesundheitswesen
Gesundheitswesen im Überblick - so funktioniert das System
Die Ausgaben der Krankenversicherung
Gerhard Pöttler, "Gesundheitswesen in Österreich. Organisationen, Leistungen, Finanzierung und Reformen übersichtlich dargestellt", Goldegg Verlag 2012
M. Hofmarcher, H.-M. Rack, "Gesundheitssysteme im Wandel: Österreich", MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsges. 2006
Ernest Pichlbauer, Ingrid Korosec, "Gesunde Zukunft - Österreichs Gesundheitsversorgung Neu: Diskussionsgrundlage zu neuen Strategien im Gesundheitswesen", Edition Steinbauer 2007
Andrea Kdolsky, "Hauptsache gesund: Die unheilbaren Krankheiten des österreichischen Gesundheitswesens", Goldegg Verlag 2012