Gedanken für den Tag

2. April 2013, 06:56

Vor einem Springbrunnen

Wie doch die Kraft das Wasser hebt!
Es steigt und schwindet, schwillt und schwebt,
es steht im Strahl, es kommt und fällt
in diese nasse Gotteswelt,
die zwecklos wie am ersten Tag
bloß ihrer Lust genügen mag
und von dem holden Überfluss
an keine Pflicht verstatten muss,
nur jener einen Macht sich beugt,
die sie erschuf - zum Himmel steigt
ihr Dank, ein immer, früh und spät,
unendlich rauschendes Gebet.
Und da es lebt, indem es stirbt,
das Licht noch um das Wasser wirbt:
Der Geist, dem solche Lust gefiel,
dankt ihr ein Regenbogenspiel!
Ob auch die Schale überfließt,
ob Alles sich in nichts ergießt:
der Geist, der es besieht, gewinnt,
und ob auch Lust und Zeit verrinnt.
Und nichts besteht und Alles bleibt,
dem heiligen Geiste einverleibt,
der nah dem Ursprung, treu und echt
fortlebt dem heiligen Geschlecht.
Noch fließt ein Quell, noch flammt ein Licht,
noch streben beide zum Gedicht,
noch steigt die Sehnsucht hoch empor,
noch öffnet sich ein Himmelstor -
noch war ich auf dem Regenbogen
beinah mit dir dort eingezogen,
dass nie verrinne Lust und Zeit.
O schöne Überflüssigkeit!

Ich habe selbst in meinem Leben die Erfahrung gemacht, dass Kreativität spielerisch und absichtslos ist in ihrer besten Form, wie in diesem Gedicht von Karl Kraus: ein Springbrunnen, der einen Regenbogen zaubert. Unendliche Fülle, unendliche Vielfalt, unendliche Möglichkeit. Jedem von uns zugänglich, zu jeder Zeit, unter allen Umständen. Man muss sie nur zulassen, sich mit ihr und auf sie einlassen und ihr erlauben sich unserer zu bedienen in einem unendlich beglückendem Spiel!

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