Gedanken für den Tag

von Peter Paul Kaspar, Musiker, Schriftsteller und Künstler/innenseelsorger. Das Hochamt der Kunst - Zum morgigen 200. Geburtstag von Richard Wagner

Der 200. Geburtstag Richard Wagners ist ein zwiespältiges Fest. Es gilt dem berühmten Komponisten, Textdichter und Ideologen der Oper als Gesamtkunstwerk und dem Gründungsvater von Bayreuth. Wagner war aber auch ein recht unangenehmer Zeitgenosse, der seine Gönner gnadenlos schröpfte, der Kollegen wie Mendelssohn und Meyerbeer öffentlich beschimpfte, ein Frauenheld, der Freunden und Gönnern die Gattinnen abspenstig machte und nicht zuletzt ein Verfasser übler judenfeindlicher Schmähschriften.

Richard Wagner ist ein Unikat der Musikgeschichte und eine Ikone des Musiktheaters. Außer den zehn großen Opern - darunter der vierteilige Zyklus "Der Ring des Nibelungen" - gibt es nur wenige vergessene Neben- und Jugendwerke. Sein Werk lebt heute als geradezu sakrales Monument der romantischen Idee vom Gesamtkunstwerk, in dem sich Theater, Musik, Mythos, Philosophie und Religion bündeln. Das geschieht in einem dafür reservierten Kunsttempel in Bayreuth, in alljährlich abgefeierten, kultisch ritualisierten und weiheartig inszenierten Festspielen: die Kunstreligion der Romantik.

Musikfreunde mögen darüber schmunzeln, dass der Knabe Richard Wagner ausgerechnet in der Leipziger Thomaskirche evangelisch getauft wurde: An diesem Ort diente im Jahrhundert zuvor Johann Sebastian Bach. Ein schärferer Gegensatz ist zwischen zwei der bedeutendsten Komponisten der Musikgeschichte kaum denkbar: Einerseits Wagner, der ausschließlich mit Musik für die Oper in die Kunst einging. Andrerseits Bach, der zur höheren Ehre Gottes so gut wie alles komponierte - nur keine Opern. Welch ein Gegensatz: Bachs Matthäuspassion und Wagners Tristan - christliche Leidensmystik kontra erotische Leidenschaft.

Was beiden Werken gleich ist: Es wird gelitten - ja es wird aus Liebe gelitten. Und es wird gestorben. Tristan und Jesus - zweimal ein Liebestod. Bei Wagner ein Finale - bei Jesus ein Übergang. Der romantische Liebestod ist Höhepunkt und Ende in einem. Der christliche weist über den Tod hinaus.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Richard Wagner/1813 - 1883
Titel: Vorspiel zu "Tristan und Isolde" 1.Aufzug
Orchester: Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Jeffrey Tate
Länge: 02:00 min
Label: EMI CDC 7497962

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