Radiokolleg - Ivan Illich
Kritiker der Fortschrittsmythen
(1). Gestaltung: Judith Brandner
27. Mai 2013, 09:30
Er war ein unbequemer und ein Querdenker: der Autor, Philosoph, Befreiungstheologe und katholische Priester Ivan Illich. Seine Kritik am etablierten Schulsystem und seine Theorien von der Entschulung der Gesellschaft haben auch Jahrzehnte später nichts an Aktualität verloren. Erstmals niedergeschrieben hat sie Illich 1971 in seinem Werk "Deschooling Society". Ebenso formulierte er Thesen über einen lebensgerechten Einsatz des technischen Fortschritts, wofür er den Begriff Konvivialität (Conviviality) geprägt hat. Konvivialität bedeutet eigentlich Fröhlichkeit, Humor. In seinem Werk "Selbstbegrenzung - Tools for Conviviality" beschreibt Illich Konvivialität als das Gegenteil der industriellen Produktivität: ".und das heißt, einen ethischen Wert an die Stelle eines technischen Wertes, einen realisierten Wert an die Stelle eines materialisierten Wertes setzen."
Geboren wurde Ivan Illich 1926 in Wien. Seine Mutter war Jüdin, der Vater römisch-katholischer Kroate. Er wuchs in der Villa Regenstreif in Pötzleinsdorf auf, die sein Großvater, der Holzindustrielle Fritz Regenstreif, erbauen ließ. Wegen seiner jüdischen Wurzeln musste Illich 1941 das Gymnasium in Wien verlassen und schloss die Schule in Florenz ab. In seinem Text Verlust von Welt und Fleisch beschreibt Illich sein Empfinden und Denken am 10. März 1938 - zwei Tage vor dem "Anschluss Österreichs". 1951 wurde er zum katholischen Priester geweiht, war danach im Vatikan tätig und in New York. 1960 gründete er mit Freunden (u.a. Paulo Freire) das Centro Intercultural de Documentación in Mexiko, und wurde dorthin von seiner Erzdiözese New York als Leiter abgeordnet. Später fiel er innerhalb der Kirche in Ungnade und legte nach einem Konflikt mit dem Papst seine Priesterschaft nieder. Er starb 2002 in Bremen.
Service
Martina Kaller-Dietrich, Ivan Illich: sein Leben, sein Denken.
Verlag der Provinz, Enzyklopädie des Wiener Wissens. Porträts.
Ivan Illich, Entschulung der Gesellschaft, Beck'sche Reihe, 5. Auflage 2003
Übersetzung: Helmut Lindemann und Thomas Lindquist
Ivan Illich, Selbstbegrenzung - eine politische Kritik der Technik, Rowohlt 1975
Übersetzung: Thomas Lindquist
Ivan Illich, Klarstellungen. Pamphlete und Polemiken. Beck'sche Reihe, 1996
Übersetzung: Helmut Lindemann
Ivan Illich, Fortschrittsmythen. Rowohlt 1978
Übersetzung: Thomas Lindquist
Ivan Illich, Genus. Zu einer historischen Kritik der Gleichheit. Beck'sche Reihe 1995
Übersetzung: Ruth Kriss-Rettenbeck und Barbara Duden
Ivan Illich, Die Nemesis der Medizin. Die Kritik der Medikalisierung des Lebens. Beck'sche Reihe 2007
Übersetzung: Thomas Lindquist und Johannes Schwab
Ivan Illich, in den Flüssen nördlich der Zukunft. Letzte Gespräche über Religion und Gesellschaft. C.H.Beck, 2006
Nachlese zu Ivan Illichs "In den Flüssen nördlich der Zukunft"