Radiogeschichten

"Vor dem Film". Von Wolfgang Koeppen. Es liest Markus Hering. Gestaltung: Stefanie Zussner

Die zwei Stunden bis zur Kinovorstellung verbringt der Erzähler in Gedanken an seine Vergangenheit: der Blick in die Läden eines Buchhändlers und Herrenausstatters wecken Erinnerungen an bessere Zeiten, Träume von einer Reise nach New York und die Sehnsucht nach Paris. Doch diese Stadt an einem trostlosen Frühlingstag im Nachkriegsdeutschland hat keinerlei Ähnlichkeit mit Paris. Zeit, zum Kino zu gehen und Susanne ihren Wunsch zu erfüllen. Sie will sich ablenken, im Dunkel eine Welt im Licht sehen.

Wolfgang Koeppen war ein Einzelgänger in der deutschen Nachkriegsliteratur. Der 1906 in Greifswald geborene und 1996 verstorbene Autor eckte durch die Schärfe seiner Kritik und avantgardistische Form seiner Arbeit vorerst bei Lesern wie Kritik an. Bekannt wurde er durch seine "Trilogie des Scheiterns" ("Tauben im Gras", "Das Treibhaus" und "Der Tod in Rom", entstanden in den 50er Jahren), in der er eine erste kritische Bestandsaufnahme der sich formierenden Bundesrepublik abgab.

Aus seinen zahlreichen Reisen im Auftrag von Alfred Andersch für den Süddeutschen Rundfunk entstanden Radio-Essays, die später auch in Buchform erschienen: 1958 wurde "Nach Russland und anderswohin", 1959 "Amerikafahrt" veröffentlicht. 1962 erhielt Wolfgang Koeppen den Büchner-Preis und seither viele weitere Auszeichnungen. In seinen letzten Jahrzehnten fiel es Koeppen immer schwerer, literarisch tätig zu sein, und er verstummte.

Service

Aus: Wolfgang Koeppen, "Auf dem Phantasieross. Prosa aus dem Nachlass", herausgegeben von Alfred Estermann, Suhrkamp Verlag 2000

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