Zwischenruf

von Dr. Susanne Heine (Wien)

"Über Staat und Religion"

So geht es zu auf unserem Globus: Regierungen werden gestürzt oder gehen in Bürgerkriegen unter. Neue Regierungen aufzubauen, ist nicht leicht, zieht sich hin. Ergebnisse bleiben fragil. Aber wozu sind Regierungen überhaupt gut? Und welche Rolle spielt dabei die Religion?

In seinem Brief nach Rom, nachzulesen in der Bibel, schreibt der Apostel Paulus Sätze, die herausfordern: "Jedermann ordne sich der staatlichen Gewalt unter, denn es existiert keine staatliche Gewalt außer von Gott. Daraus folgt: Wer sich der staatlichen Gewalt widersetzt, lehnt sich gegen eine Anordnung Gottes auf" (Röm 13, 1). Also, da haben wir's: Gott als letzte Instanz segnet alles ab, auch Diktaturen, Unrecht und Gewalt. So wurden diese Sätze auch immer wieder ausgelegt.

Allerdings, so einfach geht das nicht, wenn man sich den Zusammenhang ansieht. Denn mit der Berufung auf Gott ist umgekehrt jede Form von Herrschaft Gott gegenüber verantwortlich und damit beauftragt, für Gerechtigkeit und Frieden zu sorgen. Die Christen konnten daher aus den Worten des Paulus auch die subversive Kritik an der römischen Staatsreligion heraushören, in der den Kaisern göttliche Würde zugeschrieben wurde. So heißt es ein paar Verse davor auch deutlich: "Fügt euch nicht ins Schema dieser Welt, sondern verwandelt euch durch die Erneuerung eurer Vernunft, damit ihr prüfen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute und Akzeptable und Nützliche" (Röm 12, 2). Viele Christen, die sich weigerten, vor dem Bild der Kaiser zu opfern, bezahlten das mit dem Tod. Damit lehnten sie die Vermischung von Religion und Staat ab.

Eine Regierung hat die Aufgabe, Streit, Chaos und Krieg zu verhindern, Leben zu bewahren und vor Verbrechen zu schützen. Dafür gehört ihr das Gewaltmonopol. Das ist notwendig, weil Menschen geneigt sind, ihre Interessen willkürlich gegen andere durchzusetzen, so dass ein Gemeinwesen zur Räuberbande verkommt. Paulus nimmt einen Spruch von Jesus auf: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist" (Mt 22, 21; Mk 12,17; Lk 20, 25). Das war und ist gegen radikale Gruppen gerichtet, die für die Alleinherrschaft Gottes mit Gewalt kämpfen. Sie wollen die Reinheit des Glaubens herstellen und gehen auch gegen Glaubensgeschwister vor, die ihnen zu wenig gesetzestreu erscheinen.

Mit der Vermischung von politischer und religiöser Erwartung haben solche Gruppen schon damals das Volk in den Krieg gegen Rom getrieben, der mit der Eroberung Jerusalems, der Zerstörung des Tempels und der Vertreibung der Juden endete. Später hat es auch christliche Gruppen dieser Art gegeben, die nicht weniger Unheil anrichteten. Und heute gibt es muslimische Gruppen, die dasselbe Ziel verfolgen und Chaos erzeugen. Zum Konflikt kommt es dort, wo sich der Staat religiöse Kompetenz, die Religion politische Kompetenz anmaßt. Gott ist jedoch kein Gott der Unordnung, sondern des Friedens, sagt die Bibel. Dazu gehört für mich auch der Friede zwischen den Religionen.

So heißt es bei Paulus: "Lass dich vom Bösen nicht besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute" (Röm 12, 21). Aber auch im Koran in Sure 28 werden die Geduldigen gelobt, denn: "Sie wehren mit dem Guten das Böse ab" (Sure 28, 54).

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