Zwischenruf

von Superintendent Manfred Sauer (Villach)

"Darum sollen wir desto mehr achten auf das Wort, das wir hören, damit wir nicht am Ziel vorbeitreiben" Hebr.2.1

Kurt Eisner (1867-1919) linker bayrischer Politiker, Revolutionär, Pazifist und Schriftsteller wurde bekannt als Anführer der Novemberrevolution 1918 und als erster Ministerpräsident des von ihm ausgerufenen "Freistaats" Bayern.

Am 21. Februar 1919 wurde Eisner von einem antisemitischen adligen Rechtsextremen auf offener Straße erschossen.

Am 14. Mai 2011, spät, aber doch wird zum Gedenken von Kurt Eisner in München ein gläsernes Denkmal errichtet mit der Aufschrift: "Jedes Menschenleben soll heilig sein."
Eine Behauptung, ein frommer Wunsch, eine tiefe Sehnsucht. Auch und besonders eine biblische Verheißung und ein biblischer Auftrag. Sorgsam, behutsam miteinander umzugehen. Das Leben meiner Nächsten und mein Leben zu ehren, zu bewahren, zu fördern. Mich und andere immer wieder zu erinnern, dass dieses Leben ein göttliches Geschenk ist und wir gemacht sind zum Bilde Gottes.

Ein Glaskasten, der auf diese Botschaft aufmerksam macht, sie allen Vorbeigehenden in Erinnerung ruft.

Wir wissen aus der täglichen Berichterstattung wie schnell dieses Glas in tausend Scherben zersplittert. Wie oft unschuldiges Leben durch radikale, fanatisierte und in ihrem Eifer verblendete Extremisten rücksichtlos zerstört wird - Bostonmarathon z.B.
Besonders die Zeit des Nationalsozialismus mahnt und erinnert uns, wie schnell es gehen kann, dass sich brave, unauffällige Bürger zu bestialischen Befehlsempfängern verwandeln und zu aktiven Tätern werden.

Auch in Villach gibt es ein Denkmal aus Glas mit Namen von Verschleppten, Vertriebenen, Vergasten und Ermordeten. Namen, die an Schicksale erinnern, an Biographien und Leidensgeschichten, die eigentlich nicht vorstellbar sind.

Wer will und kann sich das schon vorstellen, was es heißt, denunziert, vorgeführt, gedemütigt, gefoltert und seiner Würde beraubt zu werden.

Wer will und kann sich das schon vorstellen, wenn das Leben eines Menschen plötzlich nichts mehr wert ist und mit Füßen getreten wird.

Dem Rad in die Speichen fallen, hat Bonhoeffer uns ins Stammbuch geschrieben. Das heißt, Partei ergreifen, Stellung beziehen, gegensteuern, bekennen, Widerstand leisten, den Mund aufmachen, sich in den Weg stellen.

Gott sei Dank, gab und gibt es sie, diese mutigen Frauen und Männer, die Zeugen des Glaubens und Widerstandes, die nicht mit dem Strom geschwommen sind, sondern, die sich dagegen gestellt haben, weil sie gespürt, erfahren und gesehen haben, dass himmelschreiendes Unrecht geschieht, und dass diesem Treiben Einhalt zu gebieten ist.
Es gab und gibt sie, die Zeugen des Glaubens, die ihren Mund aufmachen, wenn sie mit Unrecht konfrontiert werden, wenn mit Ausgrenzung Stimmung gemacht und mit Feindbildern polarisiert wird.

Dem Rad in die Speichen fallen heißt auch, wachsam zu sein, sich nicht einlullen zu lassen von der Seichtigkeit und Oberflächlichkeit einer Konsumgesellschaft oder eines Egoismus, der über Leichen geht.

"Darum sollen wir desto mehr achten auf das Wort, das wir hören, damit wir nicht am Ziel vorbeitreiben", mahnt der Schreiber des Hebräerbriefes.

Achtsam und wachsam zu sein, auf jedes Wort, auf die Sprache, die verräterisch ist. Achtsam und wachsam zu sein, wenn Parolen ausgegeben und vorschnell Antworten und Urteile gefällt werden.

Auf Gottes Wort und Weisung hören, damit wir nicht am Ziel vorbeitreiben, damit wir unser Leben nicht verfehlen, damit wir unser Leben und das Leben der andern herabwürdigen, demütigen, entheiligen.

Auf die Worte Jesu hören und immer wieder um die Klarheit des Heiligen Geistes bitten, dass wir in der Lage sind, die Geister zu unterscheiden, damit wir mutig für Gerechtigkeit eintreten, tapfer Würde und Ansehen des Menschen verteidigen und immer wieder Zeugen werden für das Leben, das heilig ist.

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