Gedanken für den Tag

13. August 2013, 06:56

Gott und das Wetter

Der US-amerikanische Bestsellerautor Bill Bryson ist ein großer England-Fan. In seinem Buch "Reif für die Insel" bekennt er, wie sehr er Bohnen auf Toast und Seebäder mit Piers mag, gotische Kathedralen und Nieselregen am Sonntag.

Kathedralen gehören zur Religion, Nieselregen gehört zum Wetter. Zwischen Religion und Wetter gibt es Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass Urteile über ihre Qualität häufig subjektiv sind und Prognosen über ihre Entwicklung mitunter falsch. Was das Wetter betrifft, so helfen vage Formulierungen, um die Schwierigkeit einer exakten Prognose zu verschleiern. Bill Bryson zitiert die folgende Wettervorhersage aus einem englischen Provinzblatt: "Trocken und warm, aber kühler mit etwas Regen."

"Trocken und warm, aber kühler mit etwas Regen": Die eindrucksvolle Vieldeutigkeit dieser meteorologischen Vorhersage erinnert an die unterschiedlichen soziologischen Diagnosen und Prognosen zur Lage der Religion. "Die religionssoziologischen Überlegungen der vergangenen Jahre haben vielfältige Thesen hervorgebracht, die sich nicht selten widersprechen", stellt Martin Riegler fest, der Projektleiter des 2008 erschienenen Religionsmonitors der Bertelsmann-Stiftung.

Die drei großen Thesen, über die sich Religionssoziologinnen und Religionssoziologen heute streiten, lauten wie folgt. Erstens: Religion geht zurück, die Welt ist entzaubert, der Tod Gottes unvermeidlich. Das ist die Säkularisierungsthese. Zweitens: Religion geht nicht zurück, sondern wandelt sich. Man spricht von einer Individualisierung, Pluralisierung und "Verbuntung" der Religion. Drittens: Religion kehrt zurück. Man nennt dies De-Säkularisierung und verweist dabei unter anderem auf die gegenmoderne, reaktionäre Renaissance von Religion in der sogenannten Dritten Welt. - Also: "Trocken und warm, aber kühler mit etwas Regen."

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler