Zwischenruf

von Pfarrer Michael Chalupka (Wien)

"Respekt und Achtung vor der Politik"

Einerseits wollen sie sich ins beste Licht stellen, andererseits lassen sie an einander kein gutes Haar. Sie zeihen sich der Lüge, werfen einer dem anderen einen Zick-Zackkurs vor, unterstellen, dass das Land abgesandelt sei oder im Reformstau und der jeweils andere daran Schuld habe. In Zeiten des Wahlkampfs, in den Zeiten der fokussierten Unintelligenz, wie der Wiener Bürgermeister einmal gemeint hat, machen es die Politikerinnen und Politiker dem interessierten Wähler nicht leicht, sie mit der für die Demokratie notwendigen Ehrfurcht und dem Respekt vor ihrer wichtigen Aufgabe für das Gemeinwesen zu betrachten.
In einem Monat wird gewählt. Ein Wahlsieger steht bereits fest: die Partei der Nichtwähler, der Politikerverdrossenen und Wahlmüden. War der Wahlsonntag nach der Wiedererlangung der demokratischen Freiheiten noch ein Ehren- und Festtag, an dem man im besten Anzug und Kostüm zur Wahlurne schritt, bleiben heute viele zu Hause.

Politikverdrossenheit und wenig Begeisterung, sich am politischen Geschäft zu beteiligen, scheint es schon zu Zeiten des Alten Testaments vor 3000 Jahren gegeben zu haben, sonst hätte Jotam nicht den Israeliten die Fabel von der Königswahl der Bäume erzählen müssen.

Die geht so: Die Bäume wollten einen König wählen. Sie fragten den Ölbaum, ob er ihr König sein wollte. Der lehnte ab, er wollte lieber weiter Öl produzieren, statt "über den Bäumen zu schweben". Der Feigenbaum wollte lieber süße Früchte tragen und der Weinstock lieber die Menschen fröhlich machen, als sich in die Niederungen der Politik zu begeben. Einzig der Dornbusch war gleich mit Feuereifer dabei. "Duckt Euch in meinen Schatten, wenn nicht, so wird Feuer von mir ausgehen und euch vernichten."

Es ist also nicht neu, auf die Politiker herabzuschauen und sich etwas Besseres zu wissen, als sich das Geschäft der Politik anzutun. Doch die Fabel zeigt, es ist weder nobel noch gescheit, mit dem schmutzigen Geschäft der Politik nichts zu tun haben zu wollen, denn am Ende triumphiert der Dornbusch und es wird ein schlimmes Ende nehmen mit der Republik der Bäume. Die Demokratie, die res publica, sie leben von der gemeinsamen Sorge aller um das Gemeinwesen. Menschen, die sich dafür einsetzen verdienen Respekt und Achtung, sogar dann, wenn sie scheinbar alles dazu tun, um sich diesen Respekt gegenseitig abzusprechen. Politikerbashing ist um der Ehrfurcht vor der Demokratie willen, verboten. Die Wähler haben es ja besser als die Bäume in der Fabel. Sie müssen nichts aufgeben für die Politik, sich nicht einmal der Wahl stellen. Sie müssen sich nur zur Wahlurne bewegen und ein Kreuzerl machen. Jotam hat Recht. Wer sich nicht an der Politik beteiligt, dem bleibt nachher nur das Jammern über das Ergebnis.

Sind Respekt und Achtung vor dem politischen Amt an sich in einer Demokratie unumgänglich, so ist das doch kein Freibrief, es nach eigenem Gutdünken und eigener Willkür auszuüben. Der Reformator Martin Luther schrieb 1523 in einem Brief: "Von der weltlichen Obrigkeit und wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei" eine kleine Anleitung, wie denn nun ein Politiker zu sein habe: Wer regieren will, meint Luther, "der muss wahrhaftig die Absicht ablegen, herrschen und mit Gewalt verfahren zu wollen. Denn verflucht und verdammt ist alles Leben, das man sich selbst zunütz und zugut lebt und sucht, verflucht alle Werke, die nicht in der Liebe gehen. Sie gehen aber dann in der Liebe, wenn sie nicht auf Lust, Nutzen, Ehre, Behagen und Heil der eignen Person gerichtet sind, sondern von ganzem Herzen auf Nutzen, Ehre und Heil von anderen."

Erstens muss er auf seine Untertanen sehen und hier sein Herz in rechte Verfassung bringen. Das tut er aber dann, wenn er sein ganzes Sinnen darauf richtet, ihnen nützlich und dienstbar zu sein. Er darf nicht so denken: "Land und Leute gehören mir; ich will's machen, wie mir's gefällt", sondern so: "Ich gehöre dem Land und den Leuten; ich soll's machen, wie es ihnen nützlich und gut ist. Nicht darnach soll ich suchen, wie ich selber großartig auftrete und herrsche, sondern wie sie in gutem Frieden beschützt und verteidigt werden.

Auch wenn wir Wähler uns heute nicht mehr als Untertanen begreifen, - aber ob eine oder einer für die Gemeinschaft nützlich und dienstbar gewesen ist und sein wird, darüber können wir am 29. September entscheiden, auf dass uns nicht das sengende Feuer des Dornbuschs hole.

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