Gedanken für den Tag

von Johanna Schwanberg, Kunstwissenschafterin und Direktorin des neu konzipierten Wiener Dommuseums mit der Sammlung Otto Mauer. "Liebe zu den Dingen". Zum 50. Todestag von Georges Braque. Gestaltung: Alexandra Mantler

Der Bildraum ist geteilt. Links eine rosafarbene Fläche, rechts eine gelbe. In der Mitte ein grauer Zwischenraum. Vor diesen Farbflächen sind schemenhaft zwei Vögel zu erkennen. Sie fliegen aufeinander zu, berühren einander aber nicht. Dieses Ölbild mit dem Titel "Der weiße und der schwarze Vogel" stammt aus dem Spätwerk von Georges Braque; es entstand im Jahr 1960. Kennt man dessen frühe kubistische Stillleben, so verwundern die ruhige einfache Formensprache und das poetische Thema.

Unzählige Varianten von Vogelflügen hat der Künstler im Jahrzehnt vor seinem Tod gemalt. Wie kam Braque zu diesem Motiv, das als Inbegriff des Vergeistigten, auch als Sinnbild der Bewegung gilt? Schließlich hatte sich der Maler Jahrzehnte nahezu ausschließlich auf Innenräume, auf unbewegliche Gegenstände - auf die "natura morta" konzentriert. George Braque erklärte die Entdeckung dieses Motivs mit dem Versuch, sich von der Begrenztheit des menschlichen Bewegungsraums zu befreien: "Ich zeichne nur noch Vögel, nachdem mich meine Stillleben vielleicht zu lange auf der Erde festgehalten haben."

Braques Vogelflug-Bilder spiegeln die Beschäftigung des Künstlers mit den immateriellen Seiten des Daseins gegen Ende seines Lebens. Nicht zufällig hat der Maler in seinem Spätwerk auch für Kirchen gearbeitet. So schuf er für die romanische Kirche seines Lebensortes Varengville in der Normandie ein blaues Glasfenster mit dem Stammbaum Christi; später folgten noch andere Kapellenfenster.

Der Vogel ist bei Braque ein Symbol des Künstlerischen, ja des Schöpferischen überhaupt. So meinte er: "Es geht über das Sagbare hinaus. Es ist die Darlegung eines unbestimmbaren Gefühls". Und weiter: "Der Vogel ist die Summe meiner Kunst. Er ist mehr als nur Malen."

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Igor Strawinsky/1882 - 1971
Titel: Pulcinella - Suite für Orchester in 8 Sätzen nach Pergolesi
* Gavotta, allegro moderato; Varizione I a/Variation 1 a, allegretto; Variazione II a/2 a, allegro piu tosto moderato (00:04:02)
Orchester: Orpheus Chamber Orchestra
Länge: 02:00 min
Label: DG 4196282

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