Gedanken für den Tag
Von Rainer Bucher, Pastoraltheologe. "Zeit der Ambivalenzen" - Über den Herbst. Gestaltung: Alexandra Mantler
20. September 2013, 06:56
Vor dem Winter
Der Herbst, so sehr er oft noch nach Sommer schmeckt, er ist auch die Zeit vor dem Winter.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben
So schaut bei Rilke aus, was nach dem Herbst kommt. Der Winter steht bei ihm für die Unbehaustheit der menschlichen Existenz, er steht für des Menschen Heimatlosigkeit.
Religion, sagt der amerikanische Philosoph und Mathematiker Alfred North Whitehead, ist das, was der Einzelne aus seinem eigenen Solitärsein macht. Sie ist Einsicht in das Einzig-Sein, in das Auf-Sich-Gestellt-Sein, in das Mit-Sich-zuletzt-Alleinsein des Menschen.
Diese Einsicht in die unüberwindbare Trennung von allem anderen, was ist, mit dem man aber zugleich auf spezifische Weise sich verbunden erfährt, erschreckt und fasziniert. Diese Einsicht kann aber auch zur Basis werden, ein Verhältnis aufzubauen zu allem, was ist. Religion tut genau dies.
Die metaphysische Heimatlosigkeit der Neuzeit ist also nicht wirklich neu. Sie gründet im Grund jeder Religion. Denn die Religion antwortet auf diese Heimatlosigkeit und erkennt sie dadurch an.
Sobald man das entdeckt hat, kann man auch nicht mehr einfach in einer religiösen Heimat sein. Man ist immer zugleich drinnen und draußen.
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Sendereihe
Playlist
Komponist/Komponistin: John Dowland/1563 - 1626
Album: John Dowland : Lieder zur Laute und Lautensolos
Titel: Katherine Darcy's Galliard
Ausführende: The Consort of Six
Länge: 02:10 min
Label: Harmonia mundi HMC 90244