Gedanken für den Tag
Von Cornelius Hell, Literaturkritiker und Übersetzer. "Warum leide ich? Das ist der Fels des Atheismus" - Zum 200. Geburtstag von Georg Büchner. Gestaltung: Alexandra Mantler
17. Oktober 2013, 06:56
"Ich mag nicht hinter jedem Kusse die Kochtöpfe rasseln hören, und bei den verschiedenen Tanten das Familienvatergesicht ziehen." Das schrieb Georg Büchner im März 1834 an seine Verlobte Wilhelmine Jaeglé. Büchner passt in kein Schema und keine Rolle - weder privat noch literarisch. Als er heute vor 200 Jahren, am 17. Oktober 1813 in Goddelau bei Darmstadt geboren wurde, war keineswegs abzusehen, dass er ein weltberühmter Autor werden sollte. Drei Theaterstücke und eine Erzählung sind ein schmales Werk für einen Autor von Weltliteratur, aber viel für einen, der mit 23 Jahren an Typhus gestorben ist.
Als Büchner sein Revolutionsdrama "Dantons Tod" schreibt, ist er erst 21 Jahre alt, doch die Leichtigkeit der Dialoge, ihre Hintergründigkeit und ihr Witz lassen keinen Anfänger vermuten. Der von der Französischen Revolution enttäuschte Danton trägt im Stück Büchners eigenen Vornamen: Georg - ein Signal, dass Büchner damit auch das Scheitern seiner mit dem "Hessischen Landboten" versuchten Revolution aufarbeiten wollte.
"Dantons Tod" ist, wie auch das Lustspiel "Leonce und Lena", in nur wenigen Wochen entstanden. Büchner hatte nicht viel Zeit - nicht nur, weil er 1837 in Zürich an Typhus starb, sondern auch, weil er tagsüber verbissen an seiner Karriere als Naturwissenschaftler, als Anatom, arbeitete und für seine Literatur nur die Nächte hatte.
Diese Literatur ragt nicht nur aus dem Umfeld des 19. Jahrhunderts als etwas ganz Besonderes heraus; Georg Büchner zu lesen ist auch heute eine Faszination und Irritation, die ihresgleichen sucht. In den schnellen Dialogen, in den präzisen Argumentationen und absurden Wendungen, blitzt etwas auf, was einen aus den gewohnten Denkschemata hinauskatapultiert. Hermann Kurzke hat es in seiner neuen Büchner-Biografie so ausgedrückt: Büchner trieb "Wortkeile in Gewissheitsspalten". Als Ingeborg Bachmann - ihr Todestag jährt sich heute zum 40. Mal - mit dem Georg Büchner-Preis ausgezeichnet wurde, sagte sie, sie sei es "nicht wert, Büchner das Schuhband zu lösen".
Service
Buch, Georg Büchner, "Sämtliche Werke und Briefe", Reclam Verlag
Buch, Georg Büchner, "Werke und Briefe", Verlag Lambert Schneider
Buch, Hermann Kurzke, "Georg Büchner. Geschichte eines Genies", Verlag C. H. Beck
Buch, Jan-Christoph Hauschild, "Georg Büchner. Verschwörung für die Gleichheit", Verlag Hoffmann & Campe
Buch, Michael Hofmann und Julian Kanning, "Georg Büchner. Epoche - Werk - Wirkung", Verlag C. H. Beck
Buch, Jan-Christoph Hauschild, "Georg Büchners Frauen", Deutscher Taschenbuchverlag
Buch, Barbara Neymeyr (Hg.), "Georg Büchner", Neue Wege der Forschung, Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Buch, Christian Milz, "Georg Büchner. Dichter, Spötter, Rätselsteller", Passagen Verlag
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Sendereihe
Playlist
Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach/1685 - 1750
Titel: Sonate Nr.1 in Es-Dur BWV 525 für Oboe, Cembalo und Violoncello
* Adagio - 2.Satz (00:04:09)
Solist/Solistin: Heinz Holliger /Oboe
Solist/Solistin: Christiane Jaccottet /Cembalo
Solist/Solistin: Thomas Demenga /Violoncello
Länge: 02:00 min
Label: Philips 4223282