Gedanken für den Tag

von Christoph Weist, evangelischer Theologe. "Die alte Hoffnung auf den neuen Geist" - Gedanken zum Jahreswechsel. Gestaltung: Alexandra Mantler

Die Dynamik der Hoffnung

"Sei wie ein Fels, an dem unablässig die Wellen sich brechen", heißt es bei dem römischen Kaiser und Philosophen Marc Aurel. Ist es verdienstvoll ein "Fels in der Brandung" zu sein?, frage ich mich. Als ein solcher ist auch mancher Kirchenmann schon gerühmt worden. Unverrückbar fest Stehen im wilden Fluss der Zeiten und Geschehnisse, an Meinungen, ja Dogmen eisern festhalten ungeachtet der Folgen, die das für Menschen hat, - dieses Image mag Kirche weithin haben, und vielleicht trägt sie auch selbst schuld daran. Bei näherem Hinsehen hat das in meinen Augen mit christlichem Glauben wenig zu tun.

"Wir warten aber auf einen neuen Himmel und einen neue Erde." (2. Petr 3,13) Daran erinnert ein unbekannter Autor des zweiten Jahrhunderts im sogenannten 2. Petrusbrief die frühen christlichen Gemeinden. Das zeigt: Von allem Anfang an war für den Glauben der Christinnen und Christen der Blick in die Zukunft entscheidend. Das dringliche, fast schon ungeduldige Warten auf das Andere, das Neue, auf eine total neue Schöpfung, die so ist, wie Gott sie will, ist zwar immer wieder enttäuscht worden - nicht nur vergangenen Monat in Warschau beim Klimagipfel -, es lebt aber ungebrochen weiter. Trotz aller "Zeitgeist"kritiker, die auch in einer Kirche davon schwärmen, wie gut es wäre, wenn alles so bliebe wie es ist, besser noch, wie es einmal war.

Das Warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, der Antrieb, das Bestehende immer besser zu gestalten, ist ein tiefer Wesenszug des Christentums. Denn christlicher Glaube weiß um die Kraft der fortschreitenden Geschichte, und seine jüdischen Wurzeln haben ihn gelehrt, dass darin die Kraft Gottes wirksam ist.
Deshalb ist am Ende eines Jahres nicht nur Rückblick angesagt. In der Brandung der Ereignisse, deren Teil wir ja selbst sind, kann nicht die Starrheit des Felsens, sondern die Dynamik der Hoffnung Halt bieten. Für mich als evangelischen Theologen ist das: der Trost der Hoffnung auf Gottes neue Welt. Dafür möchte ich offen bleiben, denn: So mancher Fels in der Brandung endet schließlich als Sand im Getriebe.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Peter Warlock/1894 - 1930
Titel: Capriol Suite - für Cembalo und Orchester
* Basse dance (00:01:36)
Orchester: Academy of St.Martin in the Fields
Leitung: Sir Neville Marriner
Ausführende: Nicholas Kraemer /Cembalo
Länge: 02:00 min
Label: Decca 4177782

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