Gedanken für den Tag

von Christoph Weist, evangelischer Theologe. "Die alte Hoffnung auf den neuen Geist" - Gedanken zum Jahreswechsel. Gestaltung: Alexandra Mantler

Der alte Wunsch

Alles soll ganz neu werden, nichts soll an das Vorherige erinnern. Das hat man nicht nur unmittelbar nach den Wahlen im vergangenen Herbst gehört, es ist überhaupt ein alter Wunsch, der sich in der Geschichte immer wieder in vielen Religionen findet. Je drückender eine gesamtgesellschaftliche Lage wird, desto lauter wird er. Und wenn heute Nacht die Sektkorken knallen und die Böllerschüsse krachen, dann steht bei vielen Zeitgenossen diese Sehnsucht dahinter.

Auch in meinem Glauben, im christlichen Glauben, der mit dem Judentum eine gemeinsame Wurzel hat, ist sie tief verankert. ".ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird". (Jes 65,17) So lässt ein uns unbekannter Prophet des alten Israel mehrere Jahrhunderte vor Christus seinen Gott sprechen.

Der neue Himmel und die neue Erde, sie sind noch nicht eingetroffen. Noch immer gedenkt man der vorigen Zeiten und ihrer Chancen und nimmt sich - wohl nicht genug - auch ihre Schuld zu Herzen. Das muss so sein, alles andere wäre verantwortungslose Geschichtsvergessenheit. Der alte Wunsch aber bleibt. Der Wunsch, dass es einen letzten Sinn gibt, etwas, auf das alles zugeht, vor allem das, was ich nicht verstehen kann. In der Antwort des christlichen Glaubens wird der Wunsch zur Hoffnung. Diese Hoffnung lautet: Es ist Gott selbst, der dem Menschen diesen Sinn schenkt. Es ist Gott, vor dem der Mensch zu sich selbst findet, vor dem er zum Menschen wird. Vor dem die Humanität eines neuen Himmels und einer neuen Erde so möglich wird, dass Angst und Leid nicht mehr denkbar sind. Es ist Gott, vor dem das Jahr, das morgen beginnt, ein Jahr ist, auf das es sich zu freuen lohnt. Gott als das ewige Gegenüber, als Zukunft und Zusage, hilft mir nicht im Menschlich-Allzumenschlichen steckenzubleiben. Und darauf hoffe ich.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Antonio Lotti/1667 - 1740
Titel: Concerto in A-Dur für Oboe d'amore, Streicher und B.c.
* Allegro - 1.Satz (00:04:16)
Ausführende: I Musici
Solist/Solistin: Heinz Holliger /Oboe d'amore
Länge: 02:00 min
Label: Philips 420189-2

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