Gedanken für den Tag

von Adi Völkl, Priester und Theologe. "Das denkende Herz" - Zum 100. Geburtstag der jüdischen Mystikerin und Autorin Etty Hillesum. Gestaltung: Alexandra Mantler

Das Leid

Menschen haben gelitten, oft bis an die Grenzen des Erträglichen und darüber hinaus, und es wird auch in Zukunft so sein.

Etty Hillesum hat sich, bevor sie als Jüdin 1943 in Auschwitz von den Nazis ermordet wurde, intensiv mit dem Leid auseinandergesetzt, sie hat ihr Herz dem Leid der Menschen ganz geöffnet. Sie ist ja bewusst und entschieden in das Zentrum des Leides hineingegangen. Sie zerbricht nicht daran, es nimmt ihr nicht ihr strahlendes Lebensgefühl, im Gegenteil, und dass das Leben trotz allem schön und sinnvoll ist. Im Gegenteil, sie reift und wächst daran zu dieser, ich kann es nur so nennen, mystischen Hingabe und Liebe, die keinen Menschen und keine Grausamkeit mehr ausschließt.

Zunächst stellt sie in ihren Tagebuchaufzeichnungen fest, dass der westliche Mensch zu leiden verlernt hat, weil er das Leid aus seinem Leben verbannen möchte und es nicht als Teil dieses Lebens annimmt. "Ich verschließe mich nicht vor all dem Leiden um mich. Ich stumpfe nicht dagegen ab", schreibt sie.

Etty Hillesum lernt zu unterscheiden zwischen der Vorstellung vom Leiden und dem Leiden selbst und hält fest: "Die Vorstellung vom Leiden jedoch, die kein "echtes" Leiden ist, muss man aufgeben. Gibt man die Vorstellung vom Leiden auf, dann befreit man das wirkliche Leben und die Kräfte in seinem Inneren." Sie kommt letztlich zu dem Schluss: "Wenn all das Leiden keine Erweiterung des Horizontes bewirkt, wenn man dadurch nicht zu einer tieferen Menschlichkeit findet, war alles umsonst."

Ich glaube mit Etty Hillesum: Es ist gut, das Leid aus seinem Leben nicht verbannen zu wollen, sondern als Teil des Lebens anzunehmen. Dann kann das Leid fruchtbar werden und das Leben zu etwas Kostbarem machen.

Service

Buch, J. G. Gaarlandt, "Das denkende Herz. Die Tagebücher der Etty Hillesum. 1941 - 1943", Verlag rororo

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Robert Schumann/1810 - 1856
Titel: Konzert für Klavier und Orchester in a-moll op.54
* Intermezzo. Andante grazioso - 2.Satz (00:05:31)
Klavierkonzert
Solist/Solistin: Artur Rubinstein /Klavier
Orchester: Chicago Symphony Orchestra
Leitung: Carlo Maria Giulini
Länge: 02:00 min
Label: RCA RD86255

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