Gedanken für den Tag

Von Hubert Gaisbauer, Publizist. "Ich habe keinen Gott, aber Gott hat mich" - Zum 75. Todestag von Ernst Barlach. Gestaltung: Alexandra Mantler

Wer einmal vor einer Skulptur von Ernst Barlach gestanden ist, aus Holz, Bronze oder Keramik, wird vielleicht um den Wunsch wissen, diese Gestalten zu berühren, zu liebkosen, zu trösten oder zu besänftigen. Das kommt nicht so oft vor in der Kunstgeschichte, vielleicht bei mancher gotischen Pietà.
Barlach bekennt: "Meine künstlerische Muttersprache ist nun mal die menschliche Figur, . wie der Mensch lebt, leidet, sich freut, fühlt, denkt.. Darüber komme ich nicht hinaus."
Dieses Credo gilt auch für seine schriftstellerischen Arbeiten. Ernst Barlach war ja nicht nur Bildhauer und Zeichner, sondern auch Verfasser von Dramen, Prosaarbeiten und aufschlussreichen Selbstreflexionen. Religion spielt dabei immer eine Rolle, unorthodox, aufregend, gegen den Strich gebürstet. Was Gott genannt wird, bleibt bei ihm in Schwebe. Gott existiert für ihn nicht als Person, sondern als Erfahrung, unbestimmt, den Mystikern nahe
.
Eine entscheidende Wende in Barlachs Leben und Schaffen war eine Reise des 36-Jährigen nach Russland im Jahr 1906. Was er dort sah, gewann in seinen Kohlezeichnungen und Skulpturen Gestalt und Form: Die Bettlerinnen, die Blinden, die Frierenden, die gegen den Sturm Ankämpfenden, sie sind bei ihm geblieben bis zum Ende, bis er selber mit seinem schwachen Herzen darniederlag, um im Oktober des düsteren Jahres 1938 zu sterben.

Wer einmal seinen Schöpfungen nahe gekommen ist, will sie nicht nur berühren, sondern will sich von ihnen berühren lassen.
"Zu jeder Kunst gehören zwei", hat Ernst Barlach einmal geschrieben, "einer, der sie macht, und einer, der sie braucht."

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach
Titel: Suite für Violoncello solo Nr. 1
* Sarabande
I: Jaap ter Linden
Länge: 02:00 min
Label: Brillant Classics 93102/12

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