Gedanken für den Tag

von Johanna Schwanberg, Kunstwissenschaftlerin und Direktorin des Wiener Dommuseums. "Provokateur und Mystiker" - Zum 25. Todestag von Salvador Dali. Gestaltung: Alexandra Mantler

"Der einzige Unterschied zwischen mir und einem Verrückten ist der, dass ich nicht verrückt bin." Der spanische Künstler Salvator Dalí vermag bis heute aufzuregen. Weil er in allem extrem war. Weil er die Mauer zwischen Kunst und Kommerz, zwischen Vernunft und Wahnsinn auf überlegte Weise niedergerissen hat. Er hat gewagt, was gemeinhin als verrückt gilt. Dabei ist er zum Vorbild vieler geworden. So manche Werbung oder Auslagengestaltung schöpft heute noch aus dem Erfindungsreichtum Dalís.

Mich interessiert besonders sein subtiles Spiel mit den unterschiedlichen Medien wie Film, Malerei, Design und Text. Vor allem überzeugt mich Dalís allumfassender Gestaltungswille. Sein nie enden wollender Erfindergeist. Bekannt wurde sein legendäres knallrotes Lippensofa; weniger bekannt sind andere Erfindungen, die meist auch nicht verwirklicht wurden. Dalí entwickelte Schuhe mit Sprungfedern, die dazu motivieren sollten, lieber zu Fuß zu gehen. Auch eine Wasserhose, in die man hineintreten sollte, um gewaschen wieder herauszukommen.

Mir gefällt, dass Dalí keine großen Materialien brauchte, um kreativ zu sein. So befasste er sich zeitlebens mit Alltäglichem. Besonders faszinierte ihn das Grundnahrungsmittel "Brot". Er verwendete es in seinem Frühwerk spielerisch-surreal. In seinen späteren religiösen Bildern gesellte sich eine spirituelle Bedeutung hinzu.

1933 setzte er einer Schaufensterpuppe ein Baguette auf den Kopf und bastelte daraus die Skulptur "Retrospektive Frauenbüste". Auf dem Brot stehen zwei miniaturartige bäuerliche Figuren, die bei der Kartoffelernte ein Gebet sprechen. Offensichtlich hat Dalí hier ein Motiv aus Millets Angelus-Läuten zitiert. Eine Künstleranekdote stellt dieses im Grunde ernste Werk in ein humorvolles Licht: So soll der Hund Picassos bei der Präsentation der Erstfassung gleich Geschmack an dem Brot gefunden haben: Picasso wiederum soll dieser Vorfall die Bemerkung entlockt haben: "Wenigstens ist deine Kunst für irgendetwas gut."

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Enrique Granados/1867-1916
Album: LAURENT KORCIA: CINEMA
Titel: Andaluza - Nr.5 aus "12 Danzas españolas (12 Spanische Tänze)" op.37 für Klavier / Bearbeitung für Violine und Klavier (verwendet in dem Film "Kika", 1993)
Solist/Solistin: Laurent Korcia /Violine
Solist/Solistin: Michael Wendeberg /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: EMI Classics 2657822

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