Gedanken für den Tag

1. Februar 2014, 06:56

Wo der Tod lauert, ist auch der Eros nicht weit. Als Licht und Schatten begegnen und überlappen sich beide Bereiche: in Kunst und im alltäglichen Erleben. Freud war fasziniert von Eros und Thanatos, der sexuelle Rausch trägt ein Todesmomentum in sich, mit dem Verlust der Selbstkontrolle und des rationalen Bewusstseins nähert man sich dem Ichverlust an, ein vorübergehendes Anstreifen an dem permanenten Ichverlust der Auslöschung.

Dieses Ausklinken aus dem bewussten Erleben verleiht paradoxerweise große Wachsamkeit der Sinne. Das Anstreifen am Vergänglichen wirft ungebremst ins Hier und Jetzt. Dieser Rausch ist es, der hinter dem Flirt als mögliche Erfüllung wartet, hinter jeder scheinbar zufälligen Berührung und dem Lächeln unter der Larve, die das Gesicht verbirgt. Intensiv wurde diese Überlappung von Eros und Tod in Schnitzlers Traumnovelle geschildert: ausgerechnet ein Arzt, also einer, der die Grenze zwischen Leben und Tod beunruhigend gut kennt, verliert sich in halbverdrängten Sehnsüchten, die ihn aus seinem scheinbar sicheren Alltag reißen.

Die Regeln des Tanzes sind auch hier von entscheidender Wichtigkeit: in Kenntnis des Passwortes ist er auf dem geheimen Ball sicher, ohne es verloren. In Kubricks Filmfassung ist die Begegnung mit seiner Retterin ein markanter Moment. Ihre Maske, von festlichem Gefieder geschmückt und der Rest ihres vollkommen nackten Körpers bilden einen eigenartigen Widerspruch. Im Augenblick ihrer Unterhaltung inmitten der bombastisch inszenierten Orgie berühren einander Eros und Todesgefahr: denn einer von ihnen wird sterben. Man muss es nicht so auf die Spitze treiben wie Schnitzler, um dem Reiz des verboten Verborgenen und der Verlockung des Risikos zu erliegen: dazu genügt eine einzige Ballnacht, die, wie man sagt, manchmal das ganze Leben auf den Kopf stellen könnte.

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