Radiokolleg - Cantus firmus

Oder: Das einfache, melodische Gerüst (3). Gestaltung: Martin Adel

Schon ab dem 9. Jahrhundert begann sich aus der üblichen Einstimmigkeit des Gesangs eine Mehrstimmigkeit zu entwickeln. Und da brauchte es so etwas wie eine Melodiestimme, die von zunächst einer, dann zwei und dann immer mehr Stimmen umspielt wurde; man brauchte also eine Stimme, an der man sich auch festhalten konnte, einen "feststehenden Gesang", einen "cantus firmus". Die dafür auserwählte Stimme war der Tenor, der aus dieser Führungsaufgabe auch seine Bezeichnung erhielt, von lateinisch "tenere", "halten". Dabei oblag es dem Tenor, heute würden wir sagen, das melodische Thema auch in größeren Werken weitestgehend unverändert wiederzugeben, während die andere/n Stimme/n in im Laufe der Zeit immer komplizierteren Formen darauf antworteten bzw. es begleiteten: der Beginn der bis hinauf zu Johann Sebastian Bach weiterentwickelten hohen Kunst des Kontrapunkts und der Kunst der Fuge. Die Kunst, wie sich die Stimmen aufeinander einstimmen, auch wenn es vier, sechzehn und mehr Stimmen werden.

Also: Wie fügen sie sich zusammen, kanonartig, zeit- und/oder lagenverschoben. Der Cantus firmus selbst dagegen war zumeist ganz einfach, ein Volks- oder Soldatenlied z.B.; so einer der berühmtesten "cantus firmi": "L'homme armé", der "bewaffnete Mann", der - heute vielleicht erstaunlich - auch verschiedenen Messen der Renaissance als musikalisches Thema zugrunde lag.

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