Gedanken für den Tag

von Philipp Harnoncourt, Liturgiewissenschafter und Ökumeniker. "Vom Wunder der Sprache". Gestaltung: Alexandra Mantler

Sprechen ohne Worte

Schon lange, ehe ein Kind sein erstes "Wort" einigermaßen verständlich artikulieren kann, vermag es sich verständlich zu äußern. Es verfügt über eine - wie die Kommunikationsforschung es ausdrückt - "vitale Vokalkapazität". Es vermag sich hörbar zu äußern; ja, es muss sich und sein Leben hörbar zum Ausdruck bringen: Eltern und Hebamme erwarten den ersten Schrei.

Die aufmerksame Mutter kann mit instinktiver Sicherheit den Freuden-Schrei vom Angst-Schrei, oder das Hunger-Geschrei vom Schmerz-Geschrei unterscheiden. Aus diesen angeborenen vokalen Äußerungen, die deutbare Botschaften kundtun, entwickelt sich einerseits die verbale Sprache, Hand in Hand mit dem Verstand, andererseits der Gesang und später das Musizieren mit Hilfe von Instrumenten. Einerseits die Sprache der logischen Vernunft und der transrationalen Poesie, andererseits die Musik als Sprache des Herzens und der Emotionen. Es ist durchaus üblich, auch die nicht-wortgebundenen Äußerungen "Sprachen" zu nennen: Jeder weiß, was mit Körpersprache gemeint ist.

Während die verbale Sprache auch zur bewussten Täuschung und zur Lüge missbraucht werden kann, was die Interpretation erschwert oder sogar unmöglich macht, sind Verhalten und Körpersprache in der Regel ehrlich.

Mich hat es peinlich berührt, als mir jemand einmal vorgeworfen hat: Deine Augen sagen etwas anderes als deine Worte. Wie groß die Bedeutung ist, die dem Körper und seinen Bewegungen in der Verständigung zukommt, drücken viele Wörter aus: Begreifen (wofür keine Hände notwendig sind), einsehen und durchschauen (ohne die Augen zu gebrauchen), verstehen (das nichts mit den Füßen zu tun hat), gehören und gehorchen, besitzen, ergriffen und berührt sein...

Sprache und Sprechen sind und bleiben ein Wunder.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Georg Philipp Telemann/1681 - 1767
Album: TELEMANN: CONCERTI PER OBOE
* Adagio - 3.Satz (00:02:12)
Titel: Konzert für Oboe, Streicher und B.c. in D-Dur
Oboenkonzert
Solist/Solistin: Heinz Holliger /Oboe
Ausführende: Academy of St.Martin in the Fields
Leitung: Iona Brown
Länge: 02:00 min
Label: Philips 4128792

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