Zwischenruf

von Pfarrer Michael Chalupka (Wien)

Gelassenheit in stürmischen Zeiten


Stürmische Zeiten machen Angst: Der Krieg vor der Haustür. Die Ukraine nicht weiter von Wien entfernt als Bregenz. Die Staatsfinanzen marode. Milliarden verzockt von der gefallenen Sonne Kärntens. All das schafft Unsicherheit.

Die Kommunikationspolitik der Regierung strahlt alles andere als Ruhe aus. Erklärungen und Antworten kamen lange Zeit nicht, oder sie waren widersprüchlich. Aller Orten mangelt es an Coolness, Gelassenheit und Langmut. Einzig cool geblieben sind die Jungs von den Hedgefonds, die viel Geld zu investieren haben und es vermehren wollen. Sie konnten, so der Innsbrucker Finanzwissenschaftler Jürgen Huber, Mitte Februar Anleihen der Hypo Alpe Adria mit einem Nominalwert von 100 Euro für 85 Euro kaufen. Aufgrund des hohen Risikos werden ihnen die Anleihen bis zu ihrer Emmission 4,25% Gewinn bringen. Jetzt wissen sie, die Coolen: Die Steuerzahlerin wird ihnen nicht nur die Verzinsung zahlen, sondern den Nominalwert von 100 zurückzahlen. Den hat die Regierung nämlich garantiert. So macht man Cash.

Diejenigen, die gewählt wurden, um das Land in ruhigere Gewässer zu steuern, geben sich "entsetzt". Sie malen Sparpakete an die Wand, sprechen davon, dass "wir" alle den Gürtel enger schnallen müssen und dass "wir" über unsere Verhältnisse gelebt hätten. Die Bürger werden darauf eingestellt, dass keine Schulen mehr gebaut, Universitäten nicht mehr ordentlich ausgestattet und auch auf die steigende Pflegebedürftigkeit nicht adäquat reagiert werden wird.

Das inklusive "Wir" differenziert nicht zwischen der Mindestrentnerin und den Vermögenden, deren Reichtum sich in den Zeiten der Krise vermehrt hat. Dieses "Wir" versucht, alle verantwortlich zu machen, indem es sie zur Kassa bittet.

Angst und Unsicherheit sind schlechte Ratgeber.

Ich rate zur Bibellektüre: Im 10. Kapitel des Buches Prediger steht zu lesen: "Wenn des Herrschers Zorn wider dich ergeht, so verlass deine Stätte nicht; denn Gelassenheit wendet großes Unheil ab."

Eine ganz praktische Anweisung in stürmischen Zeiten. Brauen sich Gewitterwolken zusammen, dann verlass deine Stätte nicht. Behaupte deine Position, bleibe bei deinem Standpunkt! Denn Gelassenheit wendet großes Unheil ab.

Zaudern, Unruhe, Nervosität und taktisches Geplänkel vermehren in schwierigen Zeiten die Risiken. Konsequenz, Beharrlichkeit und Überlegtheit hingegen schaffen Sicherheit. Konkret: Österreich lebt aus der Tradition des sozialen Ausgleichs. Der Sozialstaat ist eine Stärke unseres Landes. In stürmischen Zeiten gilt es Position zu halten, gilt es nicht zu wackeln, zu zaudern und Verwirrung zu stiften. Die soziale Sicherheit, die über Jahrzehnte erkämpft und aufgebaut wurde, darf nicht gefährdet werden. Mehr Gelassenheit tut Not.
Wem es zu abwegig erscheint, auf die Bibel zu hören, der kann sich auch den nüchternen Analysen der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, zuwenden, die dieser Tage die Staaten der Europäischen Union vor dem "falschen" Sparen warnte. Die OECD geht davon aus, dass die Sozialausgaben nun unter den Druck der Haushaltskonsolidierung geraten. Die Sozialausgaben müssten aber so gestaltet werden, dass sie die Folgen der Krise für die Schwächsten der Gesellschaft dämpfen. Vermieden werden sollten vor allem allgemeine Kürzungen der Sozialleistungen, etwa von Wohn- oder Familienbeihilfen. Auch hohe Folgekosten sind zu vermeiden. Beispiel Gesundheitsvorsorge: Die Einschränkung vorbeugender Maßnahmen, etwa das Screening zur Früherkennung von Brustkrebs, könne später zu höheren Gesundheitsausgaben führen.

In stürmischen Zeiten Kurs zu halten, zu seinen Positionen zu stehen, verlangt, dass man weiß, wo man steht und wofür man einstehen möchte. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger bezweifeln, dass die Steuermänner der österreichischen Regierungskoalition neben dem Willen zur Bankenkonsolidierung auch noch den Willen und die Kraft haben, den sozialen Zusammenhalt im Auge zu behalten.

Doch zur Gelassenheit in stürmischen Zeiten ist es nie zu spät. Und zum Lesen der Bibel sollte auch zwischen hektischen Verhandlungsterminen Zeit sein. In Zeiten des Unbills gilt ganz besonders: "...verlass deine Stätte nicht; denn Gelassenheit wendet großes Unheil ab."

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