Dimensionen - die Welt der Wissenschaft

"All safe, gentlemen, all safe!"
160 Jahre Fahrstuhl: Über ein vertikales Transportmittel der Moderne
Gestaltung: Armin Stadler

1854 steht der amerikanische Maschinenbauer Elisha Graves Otis in New York auf einer Plattform, die über Führungsschienen und eine Tragseilvorrichtung 15 Meter in die Höhe gezogen wird. Oben angekommen, schlägt Otis zum Entsetzen der Zuschauer das Tragseil mit einer Axt durch. Anstatt in die Tiefe zu stürzen, bleibt die Plattform schon nach wenigen Zentimetern stecken - und Otis ruft aus: "All safe, gentlemen, all safe!" So lautet der offizielle Entstehungsmythos zur Erfindung des modernen Fahrstuhls, wie er in den meisten Technikgeschichten nachzulesen ist.

Um 1900 ragen in Amerika Wolkenkratzer und in London, Paris und Wien vier- bis fünfstöckige Mietshäuser in den Himmel. Diese Eroberung der Vertikalen - Kennzeichen der modernen Stadt - wäre ohne Aufzüge nicht möglich gewesen. In Dubai rast der Fahrgast heute in weniger als zwei Minuten auf eine Plattform des über 800 Meter hohen Burj-Khalifa-Turms, eine gewaltige technische Herausforderung.

Der Aufzug ließ aber nicht nur die Gebäude und die Stadt in die Höhe wachsen, er stellte auch die gesellschaftliche Ordnung auf den Kopf. War vorher der 1. Stock, die Belle Etage, der teuerste Wohnort und nobelste Arbeitsplatz, und der oberste Stock die Behausung für das "Gesinde", logierten danach die Mächtigen und Reichen in luxuriösen Apartments und pompösen Chefetagen mit grandiosem Ausblick. Nebenbei wurde der Aufzug zu einem beweglichen Ort, wo sich privater und öffentlicher Raum vermischten, zum Schauplatz der Literatur und zur psychischen Druckkammer des Kinos. Die Beispiele reichen von Thomas Manns Liftboy und Hochstapler "Felix Krull" bis zu Sofia Coppolas Hotelfilm "Lost in Translation."

Sendereihe

Gestaltung

  • Armin Stadler