Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Psychotherapie auf Krankenschein - Eine Bestandsaufnahme

80.000 Menschen nehmen derzeit in Österreich Psychotherapie in Anspruch - seit 1992 ist das auch auf Kosten der Krankenkassen möglich. Wer sich dafür entscheidet, hat allerdings in den meisten Fällen mit Wartezeiten von bis zu einem halben Jahr zu rechnen. Die Zahl dieser kostenlosen Therapieplätze wurde in den vergangenen 20 Jahren zwar deutlich erhöht. Dennoch wird das verfügbare Kontingent der rasant steigenden Nachfrage bei weitem nicht gerecht. Immerhin gibt es in Österreich 240.000 Therapiebedürftige, schätzt Mag.a Maria-Anna Pleischl, Präsidentin des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie. Viele dieser Menschen verzichten aus finanziellen Gründen auf eine psychotherapeutische Unterstützung. Das Glück, einen der begehrten kassenfinanzierten Plätze zu bekommen, haben derzeit lediglich 40.000 Personen. Der Rest ist psychotherapeutisch unterversorgt.
Das Dilemma ist, dass dieser Versorgungsmangel vor allem auf ein budgetäres Problem der Krankenkassen zurückzuführen ist. Bereits jetzt werden bundesweit gut 70 Millionen Euro ausgegeben, um in Österreich auch finanziell Schwachen eine psychotherapeutische Betreuung zu ermöglichen. Dass Bund und Länder noch tiefer in die Tasche greifen, ist in absehbarer Zeit vermutlich nicht zu erwarten. Dessen ungeachtet fordern Österreichs Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten eine Aufstockung des Kontingents für voll abgegoltene Psychotherapie. Im Gesundheitsministerium als auch im Hauptverband verweist man hingegen auf die geplante Gesundheitsreform. In Zuge derer wird es nach dem "primary health care"-Ansatz der WHO ab 2015 Zentren zur primären Gesundheitsversorgung in Österreich geben. In diesen Zentren sollen alle nötigen Gesundheitsberufe und eben auch Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in enger Kooperation die erforderlichen Therapien anbieten. So könnten auch die psychotherapeutischen Angebote wesentlich mehr Menschen erreichen und diesen einen niederschwelligen Zugang zur Psychotherapie ermöglichen.
Werden diese Maßnahmen auch das Problem der langen Wartezeiten auf Psychotherapie-Kassenplätze lösen? Und wird es zu einer grundlegenden Verbesserung der traditionsgemäß durch Misstrauen geprägten Beziehung zwischen den Gebietskrankenkassen und der Psychotherapie-Szene kommen?
Dieses Mal diskutiert Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger mit seinen Gästen darüber, wie Hilfesuchende rasch und auf möglichst einfache Weise in den Genuss von Psychotherapie auf Krankenschein gelangen können.

Eine Sendung von Uschi Mürling-Darrer.
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Service

Mag.a Maria-Anna Pleischl (Präsidentin des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie (ÖBVP))
Dr. Johannes Gregoritsch (stv. Leiter der Abteilung niedergelassene Ärzte, Psychologen und Psychotherapeuten im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger)
Burgenländischer Landesverband für Psychotherapie
Niederösterreichische Gesellschaft für psychotherapeutische Versorgung
Oberösterreichische Gesellschaft für Psychotherapie
Salzburger Landesverband für Psychotherapie
ARGE-Psychotherapie - Versorgungsmodell Salzburg
Netzwerk Psychotherapie Steiermark
Kärntner Landesverband für Psychotherapie
Tiroler Landesverband für Psychotherapie
Institut für Sozialdienste Vorarlberg
Wiener Gesellschaft für Psychotherapeutische Versorgung
Verein für ambulante Psychotherapie
Eine umfangreiche Liste mit Anlaufstellen (in Wien) bei psychischen Erkrankungen finden Sie hier:
Psychotherapeutensuche
Artikel im Standard über Psychotherapie Versorgung (2012)
Die Grünen: Gesamtvertrag für Psychotherapie auf Krankenschein dringend notwendig
Artikel in "Versorgerin": Therapieplatz? Bitte warten!
Gesundheitsministerium: Gesundheitsversorgung neu denken
Neue Wege - Versorgungsebenen im Gesundheitssystem
Masterthese. "Die Interessenskonflikte bei der Entstehung des österreichischen Psychotherapiegesetzes"

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