Gedanken für den Tag

von Franz Winter, Religionswissenschaftler. "In Erwartung" - Feste als Unterbrechung des Alltags. Gestaltung: Alexandra Mantler

Weihnachten - Religionshistorisches

Das christliche Weihnachten und seine Entstehungsgeschichte ist ein Lehrbeispiel für die stufenweise Entwicklung eines ganz bedeutenden Festes, das erst im Laufe der Jahrhunderte diejenige Bedeutung bekam, die es bis heute hat. Die ersten Christen feierten vermutlich Geburt und Tod Jesu an einem Fest an einem Tag, konkret am 14. des jüdischen Monats Nissan, der im Frühjahr gelegen ist.

Erst langsam hat sich dann die Idee eines separaten Festes für die Geburt Jesu entwickelt, zumal ja der Vorgang selber sehr ausführlich in zentralen heiligen Texten des Christentums beschrieben wird, insbesondere im Lukasevangelium. Das konkrete Datum für das Fest, nämlich der 25. Dezember begegnet erst Anfang des 4. Jahrhunderts und fällt damit in diejenige Zeit, in der das Christentum von einer kleinen unbedeutenden Minderheitenreligion aus dem Vorderen Orient langsam aber sicher zu einem immer wichtigeren Faktor in der religiösen Welt der römischen Spätantike wurde.

Und man hat deshalb auch die Festlegung des Termins interpretiert als eine Art christliche Antwort, bzw. Inanspruchnahme eines bereits zuvor fixierten Feiertages im antiken römischen Kalender. Am 25. Dezember wurde nämlich das Fest des Sol invictus gefeiert (sol = Sonne, als wörtl. die unbesiegte/unbesiegbare Sonne, die auch für den Sieg über den Tod steht). Dieses Fest spielte insbesondere in der römischen Kaiserzeit ab dem 1. und 2. Jh.n.Chr. eine besonders große Rolle, ein Einfluss aus dem syrischen Raum war hier wichtig. Das Datum hat natürlich auch mit dem Zeitpunkt der Wintersonnenwende zu tun, ab dem die Tage wieder länger werden. Das ist ein sehr archaiisches, in vielen Kulturen und Religionen bedeutsames, Datum.

Möglicherweise hat die Festlegung der Geburt Jesu auf den 25. Dezember nun wirklich die Funktion gehabt, ein Gegenangebot zu machen, bzw. ein bedeutendes Fest neu zu markieren. Dazu kommt, dass ab dieser Zeit viele Elemente des Sonnenkultes auf Jesus übertragen wurden, bzw. bestimmte bereits vorhandene Elemente eine besondere Hervorhebung erfahren haben.

Das Ganze sollte aber nicht missinterpretiert werden als vermeintliche "fiese" Okkupation eines heidnischen Festes durch das Christentum. Es ist vielmehr immer so, dass Religionen beständigem Wandel unterworfen sind und auf die verschiedenen Elemente ihrer jeweiligen Umgebung reagieren müssen, bzw. zum Teil ältere Vorstellungen übernehmen und neu interpretieren. Hier gibt es oft eine erstaunliche Kontinuität an religiösen Vorstellungen.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Traditional
Album: A WINTER'S SOLSTICE V
Titel: God rest ye merry, gentlemen/instr.
you
Solist/Solistin: Steve Erquiaga /Gitarre
Länge: 02:00 min
Label: Windham Hill 01934111742

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