Gedanken für den Tag

24. Jänner 2015, 06:56

DIE MYSTIKERIN

Die Botschaft des Lebens und Dichtens der Else Lasker-Schüler ist Liebe und Hingabe in tausend Spielarten: Innigkeit, Sinnlichkeit, Gläubigkeit an kleine und große Wunder, aber ebenso Hemmungslosigkeit und Exaltiertheit. Und vor allem eine ungewöhnliche Gottesliebe, die in ihrem Leben immer wieder auf die Probe gestellt wurde. In einer Zeit der größten Not, um 1915, schreibt sie einmal einem Freund: "Ich habe Gott nie wie einen Strafenden betrachtet. Ich konnte ihn mir nur wie einen innigen Menschen denken, der auch geliebt sein will .dass er nicht vereinsame unter seinen so vielen Figuren ... nun denke ich, er kann nicht mehr über mich leuchten mit seinen Sternen all oder ... er ist nicht."

Else Lasker-Schüler liebte es über alles - während der Schnee durch die Ritzen der geschlossenen Fenster ins billige Zimmer wehte - bei einer brennenden Kerze zu sitzen. Das gab ihr Wärme und Geborgenheit, die sie sonst im Leben so sehr vermisst hatte, besonders im Schweizer Exil, wo sie ständig um ihren Aufenthalt betteln musste. Damals, 1935, erschien in der deutschen Exilzeitschrift "Pariser Tageblatt" ein Text, der die Dichterin in die Nähe der Mystik von Meister Eckhart rückt. Sie nannte ihn "Die Seele und ihr Licht - Eine Psalmodie". Sie ist überzeugt, dass ein Mensch ohne Gottes- und Menschenliebe wie eine erloschene Kerze ist und schreibt: "Das Licht der Liebe soll sich entfalten, zur Flamme werden, die Seele des Menschen anzünden. Unangezündete Seelen sind dem starren Aste gleich, Totes zwischen jubelnden Zweigen...."

In der Eiszone der Kälte, die zwischen den Menschen herrscht, wollte Else Lasker-Schüler einen Anthrazitofen setzen lassen, um das Herz der Welt ein wenig zu erwärmen.

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