Gedanken für den Tag

von Brigitte Schwens-Harrant, Theologin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "Die Furche". Gestaltung: Alexandra Mantler

Fred Wander

Vor 70 Jahren wurden die Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald befreit. Systematisch wurde in den Lagern des NS-Regimes das Ich jedes einzelnen vernichtet, bis hin zum physischen Tod. Ungeheuerlich und unbegreifbar ist und bleibt diese Vernichtung ganz bestimmter Gruppen von Menschen als Ziel der sogenannten "Endlösung". Es ist auch das Verdienst von Literaten, dass dieses Massenmorden nicht in Vergessenheit gerät.

Der 1917 als Fred Rosenblatt in Wien geborene Schriftsteller Fred Wander überlebte mehrere Lager, unter anderem Auschwitz und Buchenwald. Erst Jahrzehnte später, nämlich 1971, erschrieb er mit seinem Roman "Der siebente Brunnen" den erinnerten Menschen Geschichten und damit Individualität. "Wenigstens einige aus diesem Heer der Anonymität entreißen, einige Namen aufrufen, einige Stimmen wiedererwecken, einige Gesichter aus der Erinnerung nachzeichnen", das schrieb Christa Wolf in einem Essay über Wanders literarisches Vorgehen - und es steht wohl für viele Literaten, die versucht haben, dem Unsagbaren dennoch mit Sprache zu begegnen.

Literatur kann den Lagerinsassen von einst, deren Individualität gezielt zerstört wurde, Namen, Stimmen, Gesichter erschreiben. Erzählen ist so nicht nur ein Erinnern im Sinn der Zeugenschaft oder Geschichtswissenschaft, nein es ist auch ein Akt des Widerstands gegen das Auslöschen der Identitäten, gegen die Vernichtung des Menschen, gegen den Massenmord. Indem die Häftlinge einander ihre Geschichten erzählen, verweigern sie im Lager die Degradierung zur Nummer. Wenn sie nicht sprechen dürfen oder aus Schwäche nicht mehr können, träumen sie ihre Geschichten. Und indem Fred Wander diese Geschichten Jahrzehnte später "erfindet", protestiert er schreibend gegen diese systematische Auslöschung der Identität.

Service

Buch, Fred Wander, "Der siebente Brunnen", Verlag Wallstein

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Komitas (Soghomon Soghomonian)/1869 - 1935
Vorlage: Traditional / Armenien
Bearbeiter/Bearbeiterin: Sergei Z. Aslamazian /Arrangement./1897 - 1978
Urheber/Urheberin: KOMITAS (Vardapet S. Soghomonian)/26.9.1869 Kutais (Kutahia) - 22.10.1935 Paris
Album: TÄNZE AUS DEM HERZEN EUROPAS / I Musici de Montreal
Titel: Nr.1 Krunk (Der Kranich) : Andante (00:02:53)
Gesamttitel: ZEHN ARMENISCHE VOLKLIEDER UND VOLKSTÄNZE - für Streichorchester
Ausführende: I Musici de Montreal
Leitung: Yuli Turovsky /Violoncello und Leitung
Ausführender/Ausführende: Jacques Proulx /Percussion
Länge: 02:20 min
Label: Chandos CHAN10094

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