Gedanken für den Tag

von Cornelius Hell, Literaturkritiker und Übersetzer. "Arbeit an der Zukunft" - Zum 10. Todestag des Schriftstellers Carl Amery. Gestaltung: Alexandra Mantler

Der Schriftsteller und Denker Carl Amery war Christ und Katholik durch und durch. Gerade deshalb war er dem Christentum gegenüber besonders kritisch. 1972 erschien sein Buch "Das Ende der Vorsehung. Die gnadenlosen Folgen des Christentums". Darin suchte er, so wörtlich, "das Christentum als Teil einer sehr aggressiven und unaufhaltsamen Macht zu beurteilen, die sich seit ein paar Jahrhunderten mit Missionaren und Kanonenbooten, mit Faktoreien und Impfstationen, mit Banken, Napalm und Entwicklungshelfern über den Rest des Planeten hergemacht hat". Amery interpretierte das biblische Gebot "Machet Euch die Erde untertan" als Grundlage der exklusiven Heraushebung des Menschen gegenüber dem Rest der Schöpfung und der totalen Profanisierung der Natur.

Carl Amery wurde zum Mitbegründer der Grünen in Deutschland und wollte 1976 mit seiner Programmschrift "Natur als Politik" einen "ökologischen Materialismus" begründen. Besonders gefällt mir, wie er die elfte Feuerbach-These von Karl Marx so umformuliert: "Bisher hat sich der Materialismus damit begnügt, die Welt zu verändern, jetzt kommt es darauf an, sie zu erhalten."

Die Welt erhalten - das wurde zum zentralen Anliegen Carl Amerys. Leidenschaftlich setzte sich der Vater von fünf Kindern für Solarenergie und gegen die Privatisierung der städtischen Wasserversorgung ein. In seinen letzten Lebensjahren war es ihm infolge eines Medikaments nicht mehr möglich, große fiktionale Romanwelten zu entwerfen, aber das Überleben der Biosphäre war ihm auch wichtiger geworden als die Literatur. Umso engagierter feilte er an seinen messerscharfen Essays. Das 1988 erschienene Buch "Hitler als Vorläufer" stellt die provozierende Frage: Was ist, wenn die Ressourcen der Erde nicht mehr für alle reichen? Amery warnte vor neuen, verfeinerten Selektionsmechanismen.
Diesen Mechanismen setzte er einen klaren Imperativ entgegen: "Was wir entwickeln müssen, ist eine neue, durch Wissen und Demut geläuterte Solidarität mit der Biosphäre, der Lebenswelt." Und das Buch endet mit dem bedenkenswerten Satz: "Wenn es überhaupt noch darum geht, eine globale Formel zu entwerfen, dann lautet sie: Der Mensch kann die Krone der Schöpfung bleiben - wenn er begreift, dass er sie nicht ist."

Service

Buch, Carl Amery, "Arbeit an der Zukunft", Sammlung Luchterhand
Buch, Carl Amery, "Global Exit. Die Kirchen und der Totale Markt", btb-Taschenbuch
Buch, Carl Amery, "Hitler als Vorläufer", Sammlung Luchterhand
Buch, Carl Amery, "Die Wallfahrer", Sammlung Luchterhand
Buch, Carl Amery, "Das Geheimnis der Krypta", Sammlung Luchterhand

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Paul Hindemith/1895 - 1963
Album: PAUL HINDEMITH: KLEINE KAMMERMUSIK UND SONATEN FÜR BLÄSER
* Leicht bewegt - 1.Satz (00:02:08)
Titel: Sonate für Fagott und Klavier
Fagottsonate
Ausführende: Ensemble Wien Berlin
Ausführender/Ausführende: Milan Turkovic /Fagott
Ausführender/Ausführende: Ferenc Bognar /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: Sony Classical SK 64400

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