Gedanken für den Tag

von Guido Tartarotti, Theaterkritiker, Kolumnist bei der Tageszeitung "Kurier" und Kabarettist. "Vom Inferno Richtung Eden" - Zum 750. Geburtstag von Dante Alighieri. Gestaltung: Alexandra Mantler

Ich denke mir die Hölle als Baumarkt, in dem ich für immer verloren gehe. Ich muss etwas besorgen, aber ich weiß nicht, was. Ich versuche nach Kräften, nicht so zu riechen, als suche ich Beratung, denn Baumarktberater können Beratungssuchende wittern und verstecken sich dann vor ihnen. Ich bin allein, und zwar für immer.

Dante Alighieri lebte um 1300 in Florenz, als es dort noch unübersichtlicher zuging als in einem Baumarkt, zu einer Zeit des großen politischen Durcheinanders: Vertreter der päpstlichen und der kaiserlichen Parteien kämpften gegeneinander, ebenso Vertreter verschiedener Adelsfamilien, jede Partei war in Unterparteien und Unterunterparteien zersplittert, kurz: Ein amerikanischer Soap-Opera-Drehbuchautor auf Kokainentzug hätte es sich nicht schöner ausdenken können. Die Lage war so verworren, dass niemand sicher sein konnte, nicht versehentlich gegen sich selbst zu intrigieren. Dante war zunächst Politiker, verlor aber die Übersicht und wurde seiner Ämter enthoben und zu einer Geldstrafe verurteilt, Florenz war also sozusagen das Kärnten des Spätmittelalters.

Dante musste ins Exil gehen. Wo er sich überall aufhielt, ist - so wie vieles andere in seinem Leben - mysteriös. Da unendlich viele italienische Städte und Orte später die Ehre für sich in Anspruch nehmen wollten, den großen Dante beherbergt zu haben, sieht es heute so aus, als wäre Dante stets in zwei oder drei Städten gleichzeitig gewesen. Etwas, was man heute nur noch von Bob Dylan kennt.

Dante wurde zu einem der größten Popstars der Literatur, allerdings erst nach seinem Tod - ein Schicksal, das er mit vielen anderen Popstars teilt. Sein größter Fan war Giovanni Boccaccio, der ein halbes Jahrhundert später die bis heute beliebte Sportart der Dante-Verehrung erfand.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Ludwig van Beethoven/1770 - 1827
Titel: Trio für Klavier, Violine und Violoncello in Es-Dur op.70 Nr.2
* Finale; Allegro - 4.Satz (00:08:07)
Solist/Solistin: Wilhelm Kempff /Klavier
Solist/Solistin: Henryk Szeryng /Violine
Solist/Solistin: Pierre Fournier /Violoncello
Länge: 02:10 min
Label: DG 4158812

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