Gedanken für den Tag

15. Juli 2015, 06:56

Das Rad ist ein Spiegel der durchtechnisierten Gesellschaft. Die Losung des Wachstums hat auch das Rad ergriffen. Wenn auch die Rahmengrundform schon 100 Jahre alt ist, so haben sich die Fertigungstechniken doch rasant verändert. Statt Stahl werden heute Karbon und Aluminium wie in der Flugbranche verarbeitet, ebenso wird an der Aerodynamik gefeilt, weil der Luftwiderstand der größte Widerstand des Radfahrers ist. Die Produktionen wurden vielfach nach Asien verlagert, um Kosten im Wettbewerb zu sparen.

Die Resultate sind imposant. Man baut heute Gefährte von 6 oder 7 Kilogramm, mit denen man ohne technische Gefahr mit 100 Stundenkilometern zu Tal rasen kann, wenn man es sich selbst zutraut. Das Risiko liegt nicht am Material, sondern am Menschen. Er ist die Schwachstelle - und genau das ist die prekäre Grundbotschaft der technisierten Gesellschaft: Sie wird dem Menschen, dem sie dienen soll, zum Vorwurf; nicht ihre Systeme versagen, sondern der Mensch, der sie nicht zu lenken versteht. Doch hier kehren sich die Verhältnisse um und werden zur ideologischen Täuschung: In ihr vergessen die Ministranten der Technik, dass es immer Menschen waren, die solche Systeme hervorgebracht haben. Dass diese vielleicht nicht versagen, liegt meist an ihrer Einfachheit - oder daran, dass man sich einfach täuscht.

Der Mensch jedenfalls ist unendlich komplexer. Er ist kein funktionierendes high-end-Produkt, sondern ein Wesen mit Geschichte, Gegenwart, Zukunft, ein vitales, geistvolles Wesen, das manchmal zu vergessen scheint, dass es nicht Sklave der Technik ist, sondern - mir fällt nichts anderes ein als das, was Israels Grundbotschaft seit 3000 Jahren ist: ein geheimnishaftes Geschöpf, das neben Gott nur sich selbst gehört.

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