Gedanken für den Tag

von Beate Winkler, Malerin, Autorin und ehemalige Direktorin der EU-Agentur in Wien, der jetzigen EU-Grundrechtsagentur. "Augen auf: Chancenvielfalt lauert überall!". Gestaltung: Alexandra Mantler

Ich selbst bin die Vielfalt

"Ich denke, also bin ich", habe ich gelernt. Ein Spruch von Descartes, der unsere Kultur tief geprägt hat. Ein philosophischer Ansatz, der uns kaum vorstellbare Entwicklungen in den Naturwissenschaften geschenkt hat. Gleichzeitig wurden aber ganze Lebenswelten, wie der Umgang mit Bedürfnissen und Gefühlen, außer Acht gelassen. Mit dem Ergebnis, dass sich viele von uns nicht "ganz" wahrnehmen. Ich bin eben alles: Verstand und Gefühl, Körper und Geist. Ich selbst bin die Chancenvielfalt, wenn ich mir in meiner ganzen Fülle eine Chance gebe. Aber das ist leichter gesagt als getan. Noch vor einigen Jahren wandelte ich erfolgreich auf den Pfaden des "Ich denke, also bin ich" und schaute mir selbst zu, wenn ich etwas waghalsig meine europäischen Pirouetten drehte. Das bedeutete auch Stress und Tunnelblick, Gejagtsein und Gejagtwerden.

Bis eines Tages meine innere Stimme leise flüsterte und immer lauter wurde, so dass ich sie nicht mehr überhören konnte. "Willst Du mehr vom Gleichen? Oder wartet etwas ganz anderes darauf, von Dir noch gelebt zu werden? Etwas Unbekanntes, das Du noch gar nicht erfahren hast ?" Diese Stimme wurde so stark, dass ich ihr folgte.

Eine nicht leichte Entscheidung, denn das alte Halteseil "Leistung" war weg. Es schien ein Fall ins Leere. Doch ganz unerwartet schenkte das Leben mir Flügel. Indem ich mir zuhörte, entdeckte ich neue Räume, die mich wachsen ließen und: weiter wachsen lassen. Wie das wohl enden wird?, frage ich mich heiter. Und sage poetisch zu mir:

Etwas - noch gar nicht Fassbares gehört zu mir und doch ist es fern.
Hole es wieder, flüstert das Leben.
Reiß die Mauer ein, die Dich nur vermeintlich behütet.
Du selbst bist die Fülle des Augenblicks.

Service

Buch, Beate Winkler, "Unsere Chance: Mut, Handeln und Visionen in der Krise", Europaverlag

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Frederic Chopin/1810 - 1849
Album: CHOPIN: NOCTURNES / AUSWAHL - DANIEL BARENBOIM
Titel: Nocturne für Klavier Nr.9 in H-Dur op.32 Nr.1 - Andante sostenuto
Solist/Solistin: Daniel Barenboim /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: DG 4151172

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