Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Alles unter Kontrolle? - Zwangsstörungen erfolgreich therapieren

Leonardo DiCaprio, Woody Allen, Cameron Diaz, Anton Bruckner, David Beckham und Raffael Nadal - sie alle sind nicht nur berühmt, ihr Leben wird/wurde auch durch zwanghafte Handlungen bestimmt.
Zwei bis drei Prozent der Bevölkerung sind von Zwangsstörungen, also Zwangsgedanken und Zwangshandlungen, betroffen. Zu den bekannten zählen: Kontroll-, Wasch- und Reinigungs-, Ordnungs-, Wiederholungs-, Zähl- sowie Sammel- und Hortzwänge. Am häufigsten sind die Kontroll- und Waschzwänge. Die betroffenen Menschen haben Angst, es könnte die Wohnung abbrennen oder überflutet werden, wenn sie Herd und Wasserhahn nicht mehrmals kontrollieren bzw. sie befürchten, sich mit lebensgefährlichen Keimen zu infizieren. Diese Zwänge können leicht, jedoch auch so stark ausgeprägt sein, dass die Betroffenen täglich acht Stunden und länger ihrem Zwang nachgehen müssen, quasi von ihm dominiert werden. Die Folgen: Verlust von Job und Freunden und häufig auch gesundheitliche Probleme wie offene Hautstellen oder massive Zahnfleischprobleme aufgrund des intensiven Waschens und Putzens. Von einer Zwangsstörung spricht man dann, wenn mindestens zwei Wochen lang die beschriebenen Symptome auftreten und einen großen Leidensdruck verursachen bzw. einen normalen Alltag verunmöglichen. Wer also am Gehsteig nicht auf die Fugen zwischen den Platten steigt oder regelmäßig ein zweites Mal nachschaut, ob der Herd auch wirklich abgedreht ist, hat keine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung.
Ursachen für Zwangserkrankungen gibt es mehrere. In Fachkreisen geht man seit einiger Zeit von einem bio-psycho-sozialen Modell aus. Das bedeutet, es gibt bei Erkrankten eine genetische Disposition, also eine "Bereitschaft" - die Krankheit selbst muss aber nicht zwangsläufig tatsächlich zutage treten. Dazu ist ein "Auslöser" - und dieser ist oft Stress, sei es in Partnerschaft, Familie oder in der Arbeit - erforderlich.
Es gibt mehrere Psychotherapiemethoden, die Erfolge in der Behandlung aufweisen können. Besonders geeignet erscheint die Verhaltenstherapie. Der Patient/die Patientin lernt hier nach und nach, die Zwangshandlung trotz der aufkommenden belastenden negativen Gefühle nicht auszuführen - und gerade dadurch wird das Bedürfnis danach immer schwächer. Der Krankheit wird sozusagen der Wind aus den Segeln genommen. In schwereren Fällen raten Psychiater (zusätzlich) zur Einnahme von Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI's), die ebenso wie bei Depressionen die Symptome stark mildern.

Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos spricht dieses Mal mit ihren beiden Gästen über die vielgestaltigen Formen der Zwangserkrankung und wie Betroffene sich davon befreien können.

Eine Sendung von Mag.a Nora Kirchschlager.
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Service

Prim. ao. Univ.-Prof. Dr. Martin Aigner, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie; Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Verhaltenstherapeut, Uniklinikum Tulln, Klinische Abteilung für Erwachsenenpsychiatrie
Univ.-Prof. Dr. Rainer Danzinger, Psychoanalytiker, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie

Österreichisches Portal zum Thema Zwangskrankheit
Selbsthilfegruppen
Österreichische Gesellschaft für Verhaltenstherapie
Verhaltenstherapie-Station am AKH Wien
Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie
Wiener Psychoanalytische Vereinigung
Wiener Arbeitskreis für Psychoanalyse
Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie
HPE - Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter
Ambulante Rehabilitation bei Zwangsstörungen
Club D&A - Verein zur Forschung & Förderung von Selbsthilfe & Prävention bei Burnout, Depression und Angsterkrankungen

David Althaus, Nico Niedermeier, Svenja Niescken, "Zwangsstörungen: Wenn die Sucht nach Sicherheit zur Krankheit wird", Verlag C.H.Beck 2013

Bruce M. Hyman, Cherry Pedrick, "Arbeitsbuch Zwangsstörungen. Wie Sie sich von zwanghaftem Verhalten befreien können", Verlag G.P. Probst 2013

Hansruedi Ambühl, "Frei werden von Zwangsgedanken", Verlag Patmos 2014

Sendereihe