Zeit-Ton

5. Jänner 2016, 23:03

Wien modern 2015 widmete einen Abend dem zurzeit angesehensten italienischen Komponisten: Salvatore Sciarrino. Dabei wurde als österreichische Erstaufführung sein Zyklus "Carnaval" für 5 Stimmen, Klavier solo und 10 Instrumentalisten präsentiert, seit der Uraufführung 2014 bei den Donaueschinger Musiktagen um zwei Stücke erweitert, eines davon für Klavier allein, beide gewidmet Maurizio und Marilisa Pollini. Ein Zyklus, der, abgesehen von der erforderlichen, aber unaufdringlichen interpretatorischen Virtuosität, be- und verzaubert, wie so viele seiner anderen Werke auch. (Eine Sonderstellung nimmt da nach wie vor seine Oper "Luci mie traditrici" ein.)

Sciarrino schafft mit dem "Carnaval"-Zyklus, einer spirituellen Verneigung vor Schumanns Klavierzyklus op. 9, "liebliche Szenen", einen intimen Raum für die Vorstellungskraft. Schumann wird aber nicht zitiert. Sciarrino will sich damit vor dem musikalisch Poetischen schlechthin verneigen. Dies eingebunden in Haiku-ähnliche Traumbild-Texte des Kunstschnitzers Towitara aus Neuguinea, der den Bug von Zeremonienbooten figürlich verzierte. Sciarrino verwandelt sie in wundersame Klang-Aphorismen, Andeutungen, worin zwei, drei, vier Töne schon eine kleine Geschichte der Phantasie hinzaubern: Mini-Madrigale, ergänzt durch solche, die textlich aus chinesischen, dem Zen zugeschriebenen Quellen schöpfen. Delikat verwebtes Filigran, von den Neuen Vocalsolisten Stuttgart und dem Klangforum Wien höchst einfühlsam interpretiert. Gleichsam vollendete Fragmente für Feinschmecker.

Ergänzend dazu eine kurze Szene aus "Luci mie traditrici" und ein Stück aus dem Miniaturen-Zyklus "Quaderno di strada".

Sendereihe

• Sound Art: Zeit-Ton