Menschenbilder

10. Jänner 2016, 14:14

Gertraud Knoll war 1985 die erste evangelische Pfarrerin in Burgenland und wurde 1994 die erste Superintendentin in Österreich, sie beherbergte in ihrem Haus afghanische Flüchtlinge, und als sie gefragt wurde, ob sie als politischer Mensch, auch in diesem Feld in die erste Reihe treten wolle, sagte sie ja. Denn schließlich gehört zur Demokratie nicht nur das Wählen sondern auch die Bereitschaft, gewählt zu werden. Das gilt für die Position der Superintendentin und ihre Kandidatur für "das höchste Amt im Staat" als mögliche Bundespräsidentin im Jahr 1998 - immerhin 13,6% der Wähler/innen fanden das eine unterstützenswerte Idee. Die 1958 in Linz geborene Bischöfin für das Burgenland wurde zu einer Symbolfigur eines Österreich, das sich mit dem Lichtermeer mehr identifizierte als mit dem rechtsgerichteten Volksbegehren "Österreich zuerst". Es hat wohl wenige erstaunt, dass Knoll nach dieser Kandidatur und klaren Worten zu Menschenrechten und Fremdenfeindlichkeit zahlreichen Angriffen ausgesetzt war, aber die politisch aktive Theologin wurde nach ihrer Präsidentschaftskandidatur als Superintendentin bestätigt.
Dennoch ihre Welt hatte sich verändert, 2002 stieg sie aus dem Amt aus und wurde für die Sozialdemokratie tätig. Wenn sie vor der Zusage zum Gespräch für die Menschenbilder sinngemäß sagt, dass ihr Leben jetzt mit weniger Öffentlichkeit sehr angenehm sei, dann denkt sie wohl auch an die vielen beruflichen und privaten Veränderungen in den vergangenen Jahrzehnten - so manche Bindung musste sie in ihrem Leben lösen, um sie selbst bleiben zu können - das reicht bis zum Austritt aus der evangelischen Kirche im Jahr 2008 um ihre "protestantische Identität" zu bewahren, als in Kärntens evangelischen Kirchen ein Jörg Haider ehrender Hirtenbrief verlesen wurde.

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