Gedanken für den Tag

von Jaleh Lackner-Gohari, Ärztin und Menschenrechtsaktivistin. "Ein neuer Tag, ein neues Jahr" - Gedanken zu Nowruz. Gestaltung: Alexandra Mantler

Was NOWRUZ ist? Es ist das Neujahrsfest im Iran und einigen anderen Ländern der Region. Ein Fest, das vielleicht das älteste Fest der Welt ist, das noch immer von Millionen Menschen zelebriert wird.

Denn NOWRUZ wurde im Iran vor weit mehr als 3000 Jahren gefeiert und ist uns - trotz allen Umwälzungen unserer Geschichte - erhalten geblieben. Ich frage mich, wie so etwas möglich ist und denke zurück an alte, liebe Erinnerungen der Kindheit im Iran, als die Familie um das NOWRUZ-Gedeck, das Haft Sin genannt wird, versammelt auf den Jahreswechsel wartete. Mein Bruder und ich mit heimlichem Herzklopfen. Warten auf die Stunde, nein auf die Minute, sogar auf die Sekunde des Jahreswechsels.

Kerzen brannten und die Eltern oder unsere Großmutter rezitierten lieblich Koran-Verse oder ein kleines allgemeingültiges Gebet, das ich bis heute liebe und bewegend finde:

Du, der Herzen die Sicht verwandeln kann,
Du, der die Regel von Tag und Nacht stellt,
Du, der Zustände von Mensch und Natur umwälzt
Gewähre mir beste Veränderung meines Seins.

Schön! Es war alles auf Arabisch, nicht in der Muttersprache Persisch, aber der Klang war vertraut. Und dann hörte man die Fanfaren auf alten Instrumenten, wie vor wahrscheinlich Urzeiten, ergreifend und verheißend zugleich. Kanonenschüsse waren von weitem zu hören. Das signalisierte damals nicht Krieg, sondern das Ereignis: Ankunft eines neuen Jahrs.

Die Eltern umarmten und küssten uns. Reichten uns die speziellen Süßigkeiten, die am Haft Sin darauf warteten, gegessen zu werden. Und DANN war Zeit für unsere Eydi, der Höhepunkt, die Neujahresgeschenke. In den nächsten Stunden kamen schon die ersten Visiten. Besuche und die Erwiderung aller Besuche. Für das alles hatte man 12 Tage Zeit.

Am 13. Tag, am letzten NOWRUZ-Tag, war das allgemeine Picknick dran, hinaus ins Grüne, meist gemeinsam mit Angehörigen und nahen Freunden, Decken und Essen für alle. Der Samowar und der Teekessel durften nicht fehlen. Es ist ein Abenteuer für sich, dieses Sizdah Bedar, ein Festtag aber auch für Diebe, die dann ungestört Häuser und Wohnungen auszurauben können.

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Titel: GFT 160314 Gedanken für den Tag / Jaleh Lackner-Gohari
Länge: 03:49 min

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