Zimtsterne

DPA/FEDERICO GAMBARINI

Gedanken für den Tag

von Reinhard Deutsch, Verleger und Autor. "Zimtstern, ich dich grüße" - Über Bewirken-Können und Erwarten-Dürfen. Gestaltung: Alexandra Mantler

Natürlich wäre es ein Leichtes, am Tag nach dem ersten Adventsonntag in die vorherrschende intellektuelle Schelte einzustimmen, die mit erhobener Stimme, durchaus an der Schwelle zur Schnappatmung, geißelt, wie man denn sich am Advent noch erfreuen könne - wenn doch schon im August die Lebkuchensterne im Supermarkt getürmt werden; wenn doch vorwiegend über Handelsdaten berichtet wird; wenn doch die Stimmung durch schlechte Fußgängerzonenmusik getrübt wird. Aber wozu das scheinbar Negative beleuchten! Ich erfreue mich lieber einmal daran, dass Lichterglanz und weihnachtliche Musik die Einkaufsboulevards und Plätze prägen.

Advent, diese Erwartung der Ankunft, ist ja auch die Zeit des Adventkalenders. Dem geht's wie dem Zeitungshoroskop - keiner liest es, aber jeder öffnet gerne ein tägliches Fensterchen. Die Zeit der Briefe an das Christkind, ob im Fenster oder in Facebook; jene Zeit, in der Familien vielleicht wieder ein wenig zusammenrücken und auch den lange nicht Gesehenen ein Weihnachtsgruß gewidmet wird. Jene Zeit, in der auch der zeitgeistig Unspirituelle Tradition und Brauchtum nicht ohne weiteres entkommt. In der Erinnerungen an die Kindheit wach werden, und an Menschen, die nicht mehr sind. Das lasse ich mir nicht von einem vorzeitigen Lebkuchenstern nehmen . man muss ihn ja nicht essen . oder doch? Evozieren diese durchaus banalen Symbole nicht auch das Wissen um die nichtbanalen Dinge? Steckt nicht in jedem Vanillekipferl die Erinnerung an die unschlagbar besten, die von der Großmutter? Jener Großmutter, die einem vielleicht ein Kreuzerl auf die Stirn gemacht hat, wenn man ihr von der bevorstehenden Amerikareise erzählt hat?

Advent ist - und das kann ihm keine Kommerzialisierung rauben - auch eine Zeit der Besinnung. Von hier schwingen sich Bögen der Erinnerung in eine ungreifbare Sphäre, hier wird ein Teppich der Tradition ausgerollt, der festen Halt bietet. Ob man will oder nicht. Und wer es nicht glaubt, der werfe den ersten Zimtstern ...

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach
Titel: Sinfonia
Gesamttitel: Weihnachtsoratorium, BWV 248
Orchester: Sinfonie-Orchester des Süddeutschen Rundfunks
Leitung: August Langenbeck
Länge: 02:00 min
Label: LC 12281

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