APA/ROLAND SCHLAGER
Radiokolleg - Populismus
Vereinfachen. Verführen. Verhetzen (3).
Gestaltung: Tanja Malle
14. Dezember 2016, 09:05
"Lügen, Halbwahrheiten, Manipulationen und Angstmacherei" warf im September der UNO-Kommissar für Menschenrechte, Raad al-Hussein, den europäischen Rechtspopulisten und dem US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump vor. Al-Hussein warnte vor dem Erstarken der Populisten und einer Atmosphäre, die sich mit Gewalt auflädt.
Aber: "Wer ist eigentlich kein Populist?", fragt der Politologe Jan-Werner-Müller von der Princeton University in seinem aktuellen Buch: "Was ist Populismus?" und nennt Beispiele aus Gegenwart und Vergangenheit, aus Europa, den USA und Lateinamerika. Er versucht, auf rund 160 Seiten eine kritische Theorie des Populismus zu formulieren. Seine These: Populismus ist der Tendenz nach antidemokratisch. Der Grund: Populisten behaupten "Wir sind das Volk!", erheben den Anspruch, es zu vertreten und gleichzeitig zu definieren, wer "das Volk" ist. Damit werden alle, die anders denken, als illegitim abgestempelt. Populisten sind antipluralistisch, so Jan-Werner Müller, sie betreiben eine auf Ausschluss abzielende Identitätspolitik. Populisten, das sind keine reine Protest- oder Verweigerungsparteien, sondern streben nach Macht. Mit Blick auf Kärnten und Ungarn identifiziert Jan-Werner Müller drei Herrschaftspraktiken des Populismus: Inbesitznahme des Staates, Klientelismus und die Diskreditierung jeglicher Opposition.
Populist/Iinnen zeichnen eine Welt aus schwarz-weiß-Bildern, vereinfachen komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge und gehen mitunter so weit, Fakten zu manipulieren und Halbwahrheiten zu formulieren. Aber wo verläuft die Trennlinie zwischen Populismus und anderen politischen Phänomenen, beispielsweise dem Rechtsextremismus? Unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen gedeiht Populismus besonders gut, welche Rolle spielen etwa soziale Ungleichheit, Bildungsstand und Geschlechtszugehörigkeit? Wie können demokratische Gesellschaften dem Phänomen Populismus begegnen? Und warum lassen sich immer mehr Menschen von populistischen Parolen verführen?
Service
Literatur- und Linkliste:
Toril Aalberg, Frank Esser, Carsten Reinemann, Jesper Stromback, Claes De Vreese (Hg.): "Populist Political Communication in Europe", Routledge
Dario Brentin, Tamara Pavasovi? Trost: "Populism from Below in the Balkans.", Contemporary Southeastern Europe 2016, 3(2)
Frank Decker, Bernd Henningsen, Kjetil Jakobsen (Hg.): "Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Europa", Nomos
Reinhard Heinisch, Oscar Mazzoleni: "Understanding Populist Organization: The West European Radical Right.", Palgrave
Reinhard Heinisch: "Populism, Proporz, and Pariah - Austria Turns Right: Austrian Political Change, Its Causes and Repercussions.", Nova Science Publishing
Ghita Ionescu and Ernest Gellner (Hg.), Populism: Its Meaning and National Character", London 1969
Dirk Jörke: "Der hilflose Antipopulismus.", In: Leviathan 43 (2015), Heft 4
George Lakoff, Elisabeth Wehling: "Auf leisen Sohlen ins Gehirn. Politische Sprache und ihre heimliche Macht.", Carl-Auer Verlag
Jan-Werner Müller: "Was ist Populismus?", Suhrkamp
Benedikt Narodoslawsky: "Blausprech. Wie die FPÖ ihre Wähler fängt.", Leykam
Klaus Ottomeyer: "Die Haider-Show. Zur Psychopolitik der FPÖ.", Drava
Klaus Ottomeyer: "Jörg Haider - Mythenbildung und Erbe", Drava
Walter Ötsch: "Haider light: Handbuch für Demagogie.", Czernin Verlag
Oliver Rathkolb, Günther Ogris (Hg.): "Authoritarianism, History and Democratic Dispositions in Austria, Czech Republic, Hungary and Poland.", Studienverlag.
Elisabeth Wehling: "Politisches Framing: Wie sich eine Nation ihr Denken einredet - und daraus Politik macht.", Herbert von Halem Verlag
Ruth Wodak: "Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse.", Edition Konturen
Ruth Wodak, Majid KhosraviNik, Brigitte Mral (Hg.): "Right-Wing Populism in Europe. Politics and Discourse.", Bloomsbury
Sir Peter Ustinov Institut (Hg.): "Populismus. Herausforderung oder Gefahr für die Demokratie?", new academic press
Bundeszentrale für Politische Bildung: "Populismus"
Buchforum zu Jan-Werner Müllers: "Was ist Populismus?"
Rald Dahrendorf "Acht Anmerkungen zum Populismus"
Peter E. Gordon: The Authoritarian Personality Revisited. Reading Adorno in the Age of Trump."
Ivan Krastev über die Stunde des Populismus
Ungleichheitsforscher Branko Milanovi? über Trumps Wahlsieg und Populismus